Die ursprüngliche Idee, warum ich diese komischen
Geheimsprachen kreiere, ist, dass die Terminologie der
europäischen Linken nicht mehr brauchbar war. Wenn
man heute von Kommunismus redet, ist das Gulag, das
will ja niemand. Oder man redet von Sozialismus, dann
ist das die Politik eines Schröder, der Renten
kürzt, das will ja auch wieder niemand. Und auch
alle anderen linken Standardausdrücke wie So-lidarität,
Gemeinschaft, sind alle kontaminiert und nicht mehr
brauchbar. Aber die Dinge, die dahinter stehen, sind
ja eigentlich sehr gut. Ich wollte nicht unter einer
Terminologie mitleiden müssen, die ich nicht verschuldet
habe, da kreiere ich lieber eine eigene. Weil jemanden
zu erklären, dass der Kommu-nismus, den ich meine,
nicht der ist, den ich gesehen habe, das dauert wahrscheinlich
viel länger, als zu sagen, ich will einfach bolo'bolo,
und dann macht euch alle Gedanken wieder von neuem.
Ich bin in der Schweiz geboren und lebe jetzt in Zürich.
Mein Hauptberuf ist Lehrer an einem Gymnasium und so
nebenbei habe ich mich immer schon politisch betätigt.
Ich bin ein alter 68er, ich war noch dabei bei diesen
Anti-Vietnam-Demos und solchen Geschichten. Später
war ich auch bei Hausbesetzungen und bei der Anti-Kernkraftbewegung
dabei. Ich habe alles ein bisschen mitgemacht, was es
so gibt. Und dann ging diese Bewegung irgendwie zu Ende,
es gab dann noch eine Hausbesetzerbewegung in Zürich,
in Genf weiß ich auch, dass da sehr viele Häuser
besetzt waren, die wurde von der Polizei dann langsam
erschlagen. Da war nichts mehr da. Dann ist eine depressive
Stimmung ausgebrochen, wie oft nach sol-chen Bewegungszyklen.
In dem Moment habe ich dann gesagt: Ich schreibe jetzt
alles nochmals auf, was man dann doch noch wichtig finden
müsste. Ich habe eine Wunschliste aufgestellt,
wie zu Weihnachten, eine lange Liste von Sachen, zu
denen wir sagen, das finden wir gut - eine Bestandsliste.
Und dann habe ich mir die Liste angeschaut und gesehen,
die tönt jetzt ziemlich langweilig. Also z. B.
so Sachen wie, "wir wollen solidarisch miteinander
zusammenleben", "wir wollen kein Wirtschaftswachstum",
"wir wollen die Umwelt respektieren". Also
diese langweiligen sozialökologischen Gemeinplätze,
die man in den Parteiprogrammen findet. Das wollte ich
ein bisschen von diesem Staub befreien, und da habe
ich gesagt, ich erfinde jetzt mal eine Utopie. Aber
es ist ja gar keine Utopie. Ich kenne ja all diese Utopien.
Von der Art, wie die geschrieben sind, haben die eine
gewisse Attraktivität. Diese Vollständigkeit,
das Eintauchen in andere Welten mit eigener Terminologie,
das hat mich auch sehr fasziniert. Ich dachte, ich kann
diese Sachen, also diese Wunschvorstellungen viel besser
unter die Leute bringen, wenn ich sie als Utopie verkleide.
Und dann habe ich diese Sprache erfunden. bolo'bolo
heißt ja eigentlich nichts anderes als Kommunis-mus.
Es ist einfach die Übersetzung, das sind so polynesische
Lautsysteme. Ich war mal dort in Samoa, das hat mir
auch sehr gefallen. Es gibt da gewisse Parallelen, Überreste
von noch relativ intakten Gesell-schaften, und das war
dann mein Buch.
Ich möchte betonen, es gibt keine einzige neue
Idee in diesem Buch. Das sind alles gefundene Sachen.
Auf das bolo kommt man aus verschiedenen Richtungen,
auf die Grundeinheit, wie Menschen einigerma-ßen
vernünftig miteinander leben können, ohne
den Planeten, ihre Nerven und ihre Nachkommen zu rui-nieren.
Ein Approach ist die Kommunikation: Wenn Menschen nicht
vernünftig miteinander reden können, dann
werden sie abhängig von höheren Einheiten,
oder dann müssen Supervisoren eingesetzt werden,
um die Kommunikation zu benützen. Man kann jetzt
z. B. die Kommunikationstheorie durchschauen, die besagt,
dass die Kommunikation bei bis zu 150 Personen informell
funktioniert, d. h. da braucht man keine Strukturen.
Es ist aber dann sehr gemütlich und es gibt sehr
viel mehr Streit als nötig, weil eben die Kommunikation
so leicht ist. Darum habe ich gesagt, eine Grundeinheit,
in der man sich da versam-melt, die muss bedeutend größer
sein als 150. Ich habe gesagt, 500 wäre nicht schlecht,
400, 600, 700 oder 800. Es gibt dann eine andere Schwelle,
die irgendwo bei 1000 liegt, bei der man, wenn man sich
organisieren will, dann delegieren muss. Es braucht
dann einen Ausschuss und eine Professionalisierung dieser
Verwaltung. Dann kommt man in den Bereich der strukturell
notwendigen Bürokratie. Das finde ich auch wieder
nicht so gut, der Aufwand wird dann sprunghaft größer,
weil man die Bürokratie ja kontrol-lieren muss,
dass sie wirklich das macht, was man will. Und diese
Kontrollorgane sind wieder anfällig, die muss man
auch wieder kontrollieren, es wird sehr aufwendig. Irgendwo
ist für mich das Fenster für eine vernünftige
soziale Organisation zwischen der 150 köpfigen
Gemütlichkeit und der 1000 köpfigen begin-nenden
Ungemütlichkeit. Da zwischendrin müsste es
wahrscheinlich irgendwo sein. Das ist der eine Zu-gang.
Ein anderer Zugang könnte etwa ein ökologischer
sein. Die ökologischen Probleme auf diesem Pla-neten
sind ja alle im Norden, wo wir heizen müssen und
ein urbanistisches Layout geschaffen haben, das z. B.
den Automobilverkehr bedingt. Wenn man das zurücknehmen
will, wenn man den Energieverbrauch auf eine global
vertretbare Größe zurückschrauben will,
dann wäre das etwa ein Fünftel des heutigen
bei uns. Ich rede jetzt nicht vom Süden, weil die
verbrauchen ohnehin 100 Mal weniger Energie als wir.
Die haben in dem Sinn kein Problem, die haben vielleicht
das umgekehrte Problem. Da müsste man also auf
ein Fünftel des Energieverbrauchs kommen. Wenn
man das machen will, kann man keine Autos mehr haben.
Wenn man keine Autos mehr hat, kann man keine Einzelhäuschen
haben, dann muss man zu-sammenziehen. Dann kann man
sich überlegen, welche Größenordnung
von Häusern am leichtesten zu isolieren und am
günstigsten zu heizen sind. Das sind immer kompakte
Gebäude, weil dann das Verhält-nis von Außenhaut
zum Volumen am günstigsten ist. Das heißt,
es müssten im Norden, z. B. in den USA, Leute aus
den Suburb-Häuschen in Volks- oder Ökopaläste
zusammenziehen, wo man gut heizen kann. Ich sage immer,
da kann man eine Typologie machen, die jetzt überkonkret
ist, das muss man natürlich ironisch sehen: Wir
müssen alle in Gebäuden wohnen, die etwa acht
Stockwerke hoch sind, etwa hundert Meter lang und 20
Meter tief. Dieser Klotz ist eigentlich das ökologische
Muss.
Ich gehe jetzt immer von diesem urbanen, westlichen
bolo aus bei uns. Ich schreibe nicht anderen Men-schen
vor, wie sie sich zu organisieren hätten. Ich nehme
einfach die Schweiz als Beispiel, aber es funkti-oniert
in ganz Westeuropa so. Wie organisiert man jetzt die
Landwirtschaft im Verhältnis zu diesen urba-nen
Gebilden? Mein Vorschlag und auch der von vielen Leuten,
die das studiert haben, Ökologen und Agronomen,
wäre ja der, dass man sagt: In Westeuropa braucht
man zur Nahrungsversorgung von so einem bolo etwa 90
ha Land von der Art, wie wir es hier haben. Wenn man
jetzt so eine mittelgroße Stadt wie Zürich
nimmt, dann befinden sich diese 90 ha Land in einem
Umkreis von vielleicht 30 km um die Stadt, die hätten
da Platz. Die gibt es auch jetzt noch, wenn man nicht
weiter alles verbaut und zu-pflastert. Und dann könnte
man, rein schematisch gesehen, jedem bolo einen Bauernhof
von 90 ha zu-ordnen. Das ist relativ großzügig
gerechnet, weil in der Schweiz sind die Bauernhöfe
im Schnitt nur 15 ha groß, in Österreich
vielleicht ein bisschen mehr. Relativ große Einheiten
heißt ja nicht, dass man dann relativ große
Flächen bebauen muss. Das wären ja in sich
sehr vielfältige Gebilde, wo man von Kartoffeln
bis zur Milchproduktion alles herstellen könnte.
Dann hätte man eine ziemlich gute ökologische
Effizienz, weil es müsste nur einmal pro Woche
ein kleiner Lastwagen - oder vielleicht sogar ein Bahnwagen
- zwi-schen diesem Landteil und dem Stadtteil hin- und
herfahren. Im Rücktransport könnten die Kompost
und alle Gebinde wieder mitnehmen. Da könnte man
ein System entwickeln, dass die Leute, die im bolo woh-nen,
auch auf ihrem Landteil arbeiten können. Das wäre
viel effizienter als die heutige Versorgung mit Supermarktketten,
weil dort haben wir eine ganze Reihe von Zwischentransporten,
in Verteilzentren, und dann wieder in die Supermärkte,
und dann muss ich erst noch zum Supermarkt. Hier wäre
jedes bolo in sich ein Supermarkt mit einem diversifizierten
Landteil, der groß genug ist, um ihn ökonomisch
zu be-wirtschaften. Man kann nicht mehr unsere heutige
Landwirtschaft betreiben, weil die funktioniert ja nur
mit einem riesigen Input von Öl und Chemie und
anderen Sachen. Man müsste eine biologische Misch-wirtschaft
betreiben, bei der man verschiedene Pflanzen auf der
gleichen Fläche kombiniert, sodass sie sich gegenseitig
düngen. Nicht diese großen, monotonen Felder,
das würde nicht mehr funktionieren. Aber diese
Mischwirtschaft bedingt - aber das ist eigentlich schön
- einen viel höheren Einsatz an menschlicher Arbeit
als heute, vielleicht den dreifachen. Das ist aber nicht
viel, weil heute in der Schweiz die Landwirtschaft etwa
drei Prozent der Arbeitskräfte beansprucht, dann
wären es vielleicht halt zehn. Aber inzwischen
wären ja alle Banken gestorben und es gäbe
genug Menschen, die sich da einsetzen könnten.
Was ich jetzt beschrieben habe, ist das System, das
würde ich jedoch relativieren. Es ist wahrscheinlich
lustiger, wenn verschiedene bolos auf verschiedenen
Landteilen ihre Sachen miteinander austauschen, dass
man nicht immer das gleiche isst. Man kann auch gewisse
Güter weltweit immer noch austauschen. Gewürze
z. B. sind ja sehr leicht und haben eine hohe Wirkung,
oder Olivenöl, Nüsse, Datteln oder alle möglichen
Käse und Würste, Wein natürlich, das
sind ja hoch konzentrierte Produkte, die vom Transport
her keine ökologischen Beschränkungen haben.
Die einfachste Austauschform ist ja das Geschenk. Das
ist auch die gefährlichste, vor allem für
den Be-schenkten. Das ist möglich, weil man relativ
unabhängig ist. Ein bolo hat eine Grundsouveränität,
in der Schweiz haben wir diesen Ausdruck, eine Selbständigkeit,
die ihm auch erlaubt, großzügig zu sein.
Man muss nicht so genau darauf achten, ob man jetzt,
wenn man marxistisch reden will, zu viel Wert ver-schenkt
hat oder nicht. Es gibt eine breite Möglichkeit
von Geschenken. Und weil, wenn ich davon ausge-he, dass
es überall bolos gibt, das Schenken dann eine Form
von Ehre für dieses bolos ausmacht, be-kommt es
dann ja entsprechend wieder etwas zurück. Das wäre
eine wichtige Austauschform, die nicht spezifisch auf
irgendwelche Güter bezogen ist. Man kann irgend
etwas schenken, auch Zeit, Gedichte oder was auch immer.
Wahrscheinlich die wichtigste Form in diesem System,
das ich beschreibe, sind die permanenten Tauschabkommen,
die nenne ich "feno". Das heißt z. B.,
mit Nachbar-bolos hat man einen festen Aus-tauschvertrag.
Wenn man das jetzt schweizerisch solid macht: Sie reparieren
unsere Fenster, weil sie haben eine Werkstätte
für Fenster, wir reparieren ihre sanitären
Anlagen, so dass nicht jedes bolo alle möglichen
Reparaturwerkstätten haben muss.
Eine dritte Form des Austausches würde ich auf
höherer Ebene sehen, das nenne ich die so genannten
Nachbarschafts- oder Stadtmagazine. Das kann man als
Sozialismus oder Kommunismus bezeichnen. Die bolos einer
Stadt zusammen brauchen ja Güter, die sie nicht
selber herstellen können und auch nur sel-ten brauchen.
Die haben z. B. zusammen ein zentrales Baumaschinenlager,
und wenn sie eine Bauma-schine brauchen, dann holen
sie diese dort. Das wären dann kommunale Dienste,
wie wir sie heute auch haben, Wasser, Elektrizität
und auch bestimmte Güter wie Salz oder Zucker,
die in großen Mengen anfal-len und irgendwie gemeinsam
produziert werden müssen. Die könnte man dann
gratis verteilen, weil sowieso alle gleich viel davon
brauchen. Das wäre ja heute schon möglich.
Das würde ich jetzt mal als Sozialismus bezeichnen,
oder sogar als Kommunismus: Jeder nimmt, was er braucht
und man produziert, was man kann. Dann gäbe es
natürlich die Variante des Tausches mit Geld, der
kommt durchaus vor. Geld finde ich wichtig für
Güter, die man selten braucht und die sehr speziell
und individuell zugeschnit-ten sind. Am besten funktioniert
das auch auf Quartier-, Stadtteil-, Dorf- oder Stadtebene,
dass man effektiv Märkte oder Basare hat, wo so
Sachen wie Schmuck, Kleider, CDs, Kunstgegenstände,
spezielle Substanzen, Drogen, Kosmetikprodukte, alle
interessanten Sachen, dann von verschiedenen Leuten
ge-bracht werden. Vielleicht sind das dann Mitglieder
von bolos oder wandernde Händler, und dort hat
man dann Geld. Was für eine Währung, das spielt
eigentlich keine große Rolle, das kann eine lokale
Währung sein oder ein globaler Dollar oder Kreditkarten,
wenn man Lust hat. Das spielt ja keine Rolle, das Geld
ist ja nicht als Gegenstand gefährlich. Ich würde
sagen, Geld ist dann ein Problem, wenn es eine Eigendy-namik
entwickeln kann in einem existenziellen Bereich, wie
z. B. bei der Nahrungsmittelversorgung.
Wenn wir jetzt diese ökologischen Rahmenbedingungen
haben, also 20 Prozent des Energieverbrauchs, dann gibt
es schon noch ein paar Autos. In einem bolo vielleicht
noch 20 Autos, die kann man dann mie-ten. Das reicht,
wenn man mal Autofahren muss. Man muss aber fast nicht
mehr Auto fahren, weil man ja fast keinen Grund hat,
irgendwo hinzufahren. D. h. es gibt dann 10 mal weniger
Autos, die Automobil-industrie ist ja schon zusammengebrochen,
und alle Banken, die sie finanziert hat. Zugleich ist
die ganze Erdölindustrie zusammengebrochen, die
gibt es auch nicht mehr. Zugleich schrumpft die ganze
Haus-haltsgeräteindustrie im gleichen Ausmaß,
weil man z. B. alle Kleider in einer Waschmaschine im
bolo waschen kann, und die sind ja acht Mal effizienter
als eine Normalwaschmaschine. Die ganze Unterhal-tungselektronik,
die noch herumliegt, die kann ich noch gebrauchen, aber
man braucht auch viel weniger von dem. Eigentlich kann
man die Hi-Techindustrie nur vom Konsum her reduzieren.
Man braucht von allem 10 Mal weniger. Und dann ist die
Frage nur mehr die, wo und wie produziert man denn den
Rest am effizientesten? Und hier ist die Antwort eindeutig:
subkontinental. Z. B. würden Lastwagen an einem
Ort, sagen wir mal südlich von Warschau, für
alle bolos oder Städte zwischen dem Ural und dem
Atlantik produziert. Und dann würde man mal wahrscheinlich
nur noch Module produzieren, man würde ein mitt-leres,
ein großes und ein kleines Modul produzieren,
also einen Motor, und die könnte man dann in bolos
oder Städten zusammenbauen zu dem, was man braucht.
Das sieht man heute schon in der "Dritten Welt".
Alle diese öffentlichen Busse werden ja dort gebaut.
Das Chassis wird dort gebaut und geliefert werden nur
mehr Motoren und Getriebe. Das ist jetzt schon eine
effiziente Technologie. Wie man das jetzt macht? Das
würde ich einfach schlicht mit Geld machen, die
bezahlt man dann. Natürlich kann man jetzt sagen,
wie kommt man jetzt zum Geld? Das kann natürlich
nur so passieren: entweder bezahlt man sie oder man
hat eine Quote. Wir brauchen so und so viele Lastwagen,
und dann müssen die Arbeiter, die dort Lastwagen
produzieren, indirekt über Geld von uns bezahlt
werden - aber es ist eigentlich sehr we-nig. Und zu
diesem Geld könnte man allenfalls kommen, wenn
man einen Teil von den Gütern, von der Arbeitskraft
oder den landwirtschaftlichen Produkten dann eben für
Geld verkauft. Man kreiert automa-tisch einen subkontinentalen
Markt, wenn man das macht.
Wenn Leute eng zusammen wohnen, gibt es eine intrinsische
soziale Kontrolle, die keine Durchsetzungs-organe braucht.
Also einfach im Stil von: Was machst du da schon wieder?
Die Beobachtung ist einfach viel größer.
Das ist schön in dem Sinne, dass es sehr viele
Formen von schädlichen sozialen Verhaltens verhindert
und man sich Polizei sparen kann. Ich nehme an, die
Polizei kann auch auf ein Zehntel des heutigen Bestandes
schrumpfen. Das Problem ist eher umgekehrt, wenn ich
mich als "ibu", also als Per-son darstelle:
wieviel von dieser sozialen Kontrolle ertrage ich überhaupt?
Das kann auch ein Problem sein, das ist eine Frage des
Mischungsverhältnisses. Wenn es keine soziale Kontrolle
gibt, hat man Ghet-toverhältnisse, Chaos und Anarchie
- im schlechten Sinne -, und muss auf jedem Stockwerk
einen Poli-zisten haben. Das ist schlecht. Es muss aber
auch einen Spielraum geben, dass man sich gegenüber
die-ser internen Kontrolle auch wieder verteidigen kann.
Der eine Spielraum ist die Größe. Wenn es
500 sind, ist eine Grundanonymität gesichert. Dann
kann man Sachen machen, dass bolos z. B. mehrere Aus-
und Eingänge haben, damit man sich nicht sieht.
Kleine bolos würden diese Kontrolle wahrscheinlich
zu einem Alptraum werden lassen, größere
sind besser. Die bolos haben einen globalen bolo-Vertrag,
ich kann jederzeit ausziehen mit einer Kündigungsfrist,
und jedes andere bolo hat ja 10 Prozent Raum zur Verfü-gung
für Leute, die einfach mal so als Gast kommen,
aber vielleicht dann bleiben. Ich kann überall
aus-ziehen, überall einziehen. Das hält Leute
dann davon ab, ihre soziale Kontrolle allzu stark auszunützen,
weil sie dann Angst haben müssen, dass ich gehe.
Die Gefahr, wenn man von bolos zu reden beginnt, ist,
dass man sie als isolationistische Gebilde an-schaut.
So ein bisschen wie die größeren Kommunen
der 70er Jahre. Davon möchte ich mich ganz dra-matisch
distanzieren. Für mich sind bolos effektiv Beitrittsvereine
in bürgerlicher Form, kann man sagen. Vertraglich
tritt man da bei, man tritt wieder aus, man bringt vielleicht
sein Vermögen ein, nimmt es dann wieder mit. Das
sind keine Kommunen. Auch intern wohnen da vielleicht
Familien oder Wohnge-meinschaften und Einzelpersonen,
die haben ihre eigenen Privaträume. Es kann ja
schon bolos geben, wo sie in riesigen Schlafsälen
schlafen möchten, da kann man sie ja wirklich nicht
daran hindern - ist auch schön. Aber es können
auch klösterliche Sachen sein. Was man natürlich
braucht, ist ein planetarer bolo-Vertrag, bei dem würde
bei mir nun dazugehören, dass 10 Prozent des Wohnraumes
und der Lebensmit-tel in jedem bolo für Gäste
reserviert sind, damit diese isolationistischen Tendenzen
überwunden werden. Jedes bolo muss sich zu einem
gewissen Grad öffnen.
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