e-mail
 website

 deutsch
 english

 << Alternative Economics
p.m. 2004
bolo'bolo
[video transcript]
download pdf
 

Die ursprüngliche Idee, warum ich diese komischen Geheimsprachen kreiere, ist, dass die Terminologie der europäischen Linken nicht mehr brauchbar war. Wenn man heute von Kommunismus redet, ist das Gulag, das will ja niemand. Oder man redet von Sozialismus, dann ist das die Politik eines Schröder, der Renten kürzt, das will ja auch wieder niemand. Und auch alle anderen linken Standardausdrücke wie So-lidarität, Gemeinschaft, sind alle kontaminiert und nicht mehr brauchbar. Aber die Dinge, die dahinter stehen, sind ja eigentlich sehr gut. Ich wollte nicht unter einer Terminologie mitleiden müssen, die ich nicht verschuldet habe, da kreiere ich lieber eine eigene. Weil jemanden zu erklären, dass der Kommu-nismus, den ich meine, nicht der ist, den ich gesehen habe, das dauert wahrscheinlich viel länger, als zu sagen, ich will einfach bolo'bolo, und dann macht euch alle Gedanken wieder von neuem.

Ich bin in der Schweiz geboren und lebe jetzt in Zürich. Mein Hauptberuf ist Lehrer an einem Gymnasium und so nebenbei habe ich mich immer schon politisch betätigt. Ich bin ein alter 68er, ich war noch dabei bei diesen Anti-Vietnam-Demos und solchen Geschichten. Später war ich auch bei Hausbesetzungen und bei der Anti-Kernkraftbewegung dabei. Ich habe alles ein bisschen mitgemacht, was es so gibt. Und dann ging diese Bewegung irgendwie zu Ende, es gab dann noch eine Hausbesetzerbewegung in Zürich, in Genf weiß ich auch, dass da sehr viele Häuser besetzt waren, die wurde von der Polizei dann langsam erschlagen. Da war nichts mehr da. Dann ist eine depressive Stimmung ausgebrochen, wie oft nach sol-chen Bewegungszyklen. In dem Moment habe ich dann gesagt: Ich schreibe jetzt alles nochmals auf, was man dann doch noch wichtig finden müsste. Ich habe eine Wunschliste aufgestellt, wie zu Weihnachten, eine lange Liste von Sachen, zu denen wir sagen, das finden wir gut - eine Bestandsliste.
Und dann habe ich mir die Liste angeschaut und gesehen, die tönt jetzt ziemlich langweilig. Also z. B. so Sachen wie, "wir wollen solidarisch miteinander zusammenleben", "wir wollen kein Wirtschaftswachstum", "wir wollen die Umwelt respektieren". Also diese langweiligen sozialökologischen Gemeinplätze, die man in den Parteiprogrammen findet. Das wollte ich ein bisschen von diesem Staub befreien, und da habe ich gesagt, ich erfinde jetzt mal eine Utopie. Aber es ist ja gar keine Utopie. Ich kenne ja all diese Utopien. Von der Art, wie die geschrieben sind, haben die eine gewisse Attraktivität. Diese Vollständigkeit, das Eintauchen in andere Welten mit eigener Terminologie, das hat mich auch sehr fasziniert. Ich dachte, ich kann diese Sachen, also diese Wunschvorstellungen viel besser unter die Leute bringen, wenn ich sie als Utopie verkleide.
Und dann habe ich diese Sprache erfunden. bolo'bolo heißt ja eigentlich nichts anderes als Kommunis-mus. Es ist einfach die Übersetzung, das sind so polynesische Lautsysteme. Ich war mal dort in Samoa, das hat mir auch sehr gefallen. Es gibt da gewisse Parallelen, Überreste von noch relativ intakten Gesell-schaften, und das war dann mein Buch.

Ich möchte betonen, es gibt keine einzige neue Idee in diesem Buch. Das sind alles gefundene Sachen. Auf das bolo kommt man aus verschiedenen Richtungen, auf die Grundeinheit, wie Menschen einigerma-ßen vernünftig miteinander leben können, ohne den Planeten, ihre Nerven und ihre Nachkommen zu rui-nieren. Ein Approach ist die Kommunikation: Wenn Menschen nicht vernünftig miteinander reden können, dann werden sie abhängig von höheren Einheiten, oder dann müssen Supervisoren eingesetzt werden, um die Kommunikation zu benützen. Man kann jetzt z. B. die Kommunikationstheorie durchschauen, die besagt, dass die Kommunikation bei bis zu 150 Personen informell funktioniert, d. h. da braucht man keine Strukturen. Es ist aber dann sehr gemütlich und es gibt sehr viel mehr Streit als nötig, weil eben die Kommunikation so leicht ist. Darum habe ich gesagt, eine Grundeinheit, in der man sich da versam-melt, die muss bedeutend größer sein als 150. Ich habe gesagt, 500 wäre nicht schlecht, 400, 600, 700 oder 800. Es gibt dann eine andere Schwelle, die irgendwo bei 1000 liegt, bei der man, wenn man sich organisieren will, dann delegieren muss. Es braucht dann einen Ausschuss und eine Professionalisierung dieser Verwaltung. Dann kommt man in den Bereich der strukturell notwendigen Bürokratie. Das finde ich auch wieder nicht so gut, der Aufwand wird dann sprunghaft größer, weil man die Bürokratie ja kontrol-lieren muss, dass sie wirklich das macht, was man will. Und diese Kontrollorgane sind wieder anfällig, die muss man auch wieder kontrollieren, es wird sehr aufwendig. Irgendwo ist für mich das Fenster für eine vernünftige soziale Organisation zwischen der 150 köpfigen Gemütlichkeit und der 1000 köpfigen begin-nenden Ungemütlichkeit. Da zwischendrin müsste es wahrscheinlich irgendwo sein. Das ist der eine Zu-gang. Ein anderer Zugang könnte etwa ein ökologischer sein. Die ökologischen Probleme auf diesem Pla-neten sind ja alle im Norden, wo wir heizen müssen und ein urbanistisches Layout geschaffen haben, das z. B. den Automobilverkehr bedingt. Wenn man das zurücknehmen will, wenn man den Energieverbrauch auf eine global vertretbare Größe zurückschrauben will, dann wäre das etwa ein Fünftel des heutigen bei uns. Ich rede jetzt nicht vom Süden, weil die verbrauchen ohnehin 100 Mal weniger Energie als wir. Die haben in dem Sinn kein Problem, die haben vielleicht das umgekehrte Problem. Da müsste man also auf ein Fünftel des Energieverbrauchs kommen. Wenn man das machen will, kann man keine Autos mehr haben. Wenn man keine Autos mehr hat, kann man keine Einzelhäuschen haben, dann muss man zu-sammenziehen. Dann kann man sich überlegen, welche Größenordnung von Häusern am leichtesten zu isolieren und am günstigsten zu heizen sind. Das sind immer kompakte Gebäude, weil dann das Verhält-nis von Außenhaut zum Volumen am günstigsten ist. Das heißt, es müssten im Norden, z. B. in den USA, Leute aus den Suburb-Häuschen in Volks- oder Ökopaläste zusammenziehen, wo man gut heizen kann. Ich sage immer, da kann man eine Typologie machen, die jetzt überkonkret ist, das muss man natürlich ironisch sehen: Wir müssen alle in Gebäuden wohnen, die etwa acht Stockwerke hoch sind, etwa hundert Meter lang und 20 Meter tief. Dieser Klotz ist eigentlich das ökologische Muss.

Ich gehe jetzt immer von diesem urbanen, westlichen bolo aus bei uns. Ich schreibe nicht anderen Men-schen vor, wie sie sich zu organisieren hätten. Ich nehme einfach die Schweiz als Beispiel, aber es funkti-oniert in ganz Westeuropa so. Wie organisiert man jetzt die Landwirtschaft im Verhältnis zu diesen urba-nen Gebilden? Mein Vorschlag und auch der von vielen Leuten, die das studiert haben, Ökologen und Agronomen, wäre ja der, dass man sagt: In Westeuropa braucht man zur Nahrungsversorgung von so einem bolo etwa 90 ha Land von der Art, wie wir es hier haben. Wenn man jetzt so eine mittelgroße Stadt wie Zürich nimmt, dann befinden sich diese 90 ha Land in einem Umkreis von vielleicht 30 km um die Stadt, die hätten da Platz. Die gibt es auch jetzt noch, wenn man nicht weiter alles verbaut und zu-pflastert. Und dann könnte man, rein schematisch gesehen, jedem bolo einen Bauernhof von 90 ha zu-ordnen. Das ist relativ großzügig gerechnet, weil in der Schweiz sind die Bauernhöfe im Schnitt nur 15 ha groß, in Österreich vielleicht ein bisschen mehr. Relativ große Einheiten heißt ja nicht, dass man dann relativ große Flächen bebauen muss. Das wären ja in sich sehr vielfältige Gebilde, wo man von Kartoffeln bis zur Milchproduktion alles herstellen könnte. Dann hätte man eine ziemlich gute ökologische Effizienz, weil es müsste nur einmal pro Woche ein kleiner Lastwagen - oder vielleicht sogar ein Bahnwagen - zwi-schen diesem Landteil und dem Stadtteil hin- und herfahren. Im Rücktransport könnten die Kompost und alle Gebinde wieder mitnehmen. Da könnte man ein System entwickeln, dass die Leute, die im bolo woh-nen, auch auf ihrem Landteil arbeiten können. Das wäre viel effizienter als die heutige Versorgung mit Supermarktketten, weil dort haben wir eine ganze Reihe von Zwischentransporten, in Verteilzentren, und dann wieder in die Supermärkte, und dann muss ich erst noch zum Supermarkt. Hier wäre jedes bolo in sich ein Supermarkt mit einem diversifizierten Landteil, der groß genug ist, um ihn ökonomisch zu be-wirtschaften. Man kann nicht mehr unsere heutige Landwirtschaft betreiben, weil die funktioniert ja nur mit einem riesigen Input von Öl und Chemie und anderen Sachen. Man müsste eine biologische Misch-wirtschaft betreiben, bei der man verschiedene Pflanzen auf der gleichen Fläche kombiniert, sodass sie sich gegenseitig düngen. Nicht diese großen, monotonen Felder, das würde nicht mehr funktionieren. Aber diese Mischwirtschaft bedingt - aber das ist eigentlich schön - einen viel höheren Einsatz an menschlicher Arbeit als heute, vielleicht den dreifachen. Das ist aber nicht viel, weil heute in der Schweiz die Landwirtschaft etwa drei Prozent der Arbeitskräfte beansprucht, dann wären es vielleicht halt zehn. Aber inzwischen wären ja alle Banken gestorben und es gäbe genug Menschen, die sich da einsetzen könnten.
Was ich jetzt beschrieben habe, ist das System, das würde ich jedoch relativieren. Es ist wahrscheinlich lustiger, wenn verschiedene bolos auf verschiedenen Landteilen ihre Sachen miteinander austauschen, dass man nicht immer das gleiche isst. Man kann auch gewisse Güter weltweit immer noch austauschen. Gewürze z. B. sind ja sehr leicht und haben eine hohe Wirkung, oder Olivenöl, Nüsse, Datteln oder alle möglichen Käse und Würste, Wein natürlich, das sind ja hoch konzentrierte Produkte, die vom Transport her keine ökologischen Beschränkungen haben.

Die einfachste Austauschform ist ja das Geschenk. Das ist auch die gefährlichste, vor allem für den Be-schenkten. Das ist möglich, weil man relativ unabhängig ist. Ein bolo hat eine Grundsouveränität, in der Schweiz haben wir diesen Ausdruck, eine Selbständigkeit, die ihm auch erlaubt, großzügig zu sein. Man muss nicht so genau darauf achten, ob man jetzt, wenn man marxistisch reden will, zu viel Wert ver-schenkt hat oder nicht. Es gibt eine breite Möglichkeit von Geschenken. Und weil, wenn ich davon ausge-he, dass es überall bolos gibt, das Schenken dann eine Form von Ehre für dieses bolos ausmacht, be-kommt es dann ja entsprechend wieder etwas zurück. Das wäre eine wichtige Austauschform, die nicht spezifisch auf irgendwelche Güter bezogen ist. Man kann irgend etwas schenken, auch Zeit, Gedichte oder was auch immer.
Wahrscheinlich die wichtigste Form in diesem System, das ich beschreibe, sind die permanenten Tauschabkommen, die nenne ich "feno". Das heißt z. B., mit Nachbar-bolos hat man einen festen Aus-tauschvertrag. Wenn man das jetzt schweizerisch solid macht: Sie reparieren unsere Fenster, weil sie haben eine Werkstätte für Fenster, wir reparieren ihre sanitären Anlagen, so dass nicht jedes bolo alle möglichen Reparaturwerkstätten haben muss.
Eine dritte Form des Austausches würde ich auf höherer Ebene sehen, das nenne ich die so genannten Nachbarschafts- oder Stadtmagazine. Das kann man als Sozialismus oder Kommunismus bezeichnen. Die bolos einer Stadt zusammen brauchen ja Güter, die sie nicht selber herstellen können und auch nur sel-ten brauchen. Die haben z. B. zusammen ein zentrales Baumaschinenlager, und wenn sie eine Bauma-schine brauchen, dann holen sie diese dort. Das wären dann kommunale Dienste, wie wir sie heute auch haben, Wasser, Elektrizität und auch bestimmte Güter wie Salz oder Zucker, die in großen Mengen anfal-len und irgendwie gemeinsam produziert werden müssen. Die könnte man dann gratis verteilen, weil sowieso alle gleich viel davon brauchen. Das wäre ja heute schon möglich. Das würde ich jetzt mal als Sozialismus bezeichnen, oder sogar als Kommunismus: Jeder nimmt, was er braucht und man produziert, was man kann. Dann gäbe es natürlich die Variante des Tausches mit Geld, der kommt durchaus vor. Geld finde ich wichtig für Güter, die man selten braucht und die sehr speziell und individuell zugeschnit-ten sind. Am besten funktioniert das auch auf Quartier-, Stadtteil-, Dorf- oder Stadtebene, dass man effektiv Märkte oder Basare hat, wo so Sachen wie Schmuck, Kleider, CDs, Kunstgegenstände, spezielle Substanzen, Drogen, Kosmetikprodukte, alle interessanten Sachen, dann von verschiedenen Leuten ge-bracht werden. Vielleicht sind das dann Mitglieder von bolos oder wandernde Händler, und dort hat man dann Geld. Was für eine Währung, das spielt eigentlich keine große Rolle, das kann eine lokale Währung sein oder ein globaler Dollar oder Kreditkarten, wenn man Lust hat. Das spielt ja keine Rolle, das Geld ist ja nicht als Gegenstand gefährlich. Ich würde sagen, Geld ist dann ein Problem, wenn es eine Eigendy-namik entwickeln kann in einem existenziellen Bereich, wie z. B. bei der Nahrungsmittelversorgung.

Wenn wir jetzt diese ökologischen Rahmenbedingungen haben, also 20 Prozent des Energieverbrauchs, dann gibt es schon noch ein paar Autos. In einem bolo vielleicht noch 20 Autos, die kann man dann mie-ten. Das reicht, wenn man mal Autofahren muss. Man muss aber fast nicht mehr Auto fahren, weil man ja fast keinen Grund hat, irgendwo hinzufahren. D. h. es gibt dann 10 mal weniger Autos, die Automobil-industrie ist ja schon zusammengebrochen, und alle Banken, die sie finanziert hat. Zugleich ist die ganze Erdölindustrie zusammengebrochen, die gibt es auch nicht mehr. Zugleich schrumpft die ganze Haus-haltsgeräteindustrie im gleichen Ausmaß, weil man z. B. alle Kleider in einer Waschmaschine im bolo waschen kann, und die sind ja acht Mal effizienter als eine Normalwaschmaschine. Die ganze Unterhal-tungselektronik, die noch herumliegt, die kann ich noch gebrauchen, aber man braucht auch viel weniger von dem. Eigentlich kann man die Hi-Techindustrie nur vom Konsum her reduzieren. Man braucht von allem 10 Mal weniger. Und dann ist die Frage nur mehr die, wo und wie produziert man denn den Rest am effizientesten? Und hier ist die Antwort eindeutig: subkontinental. Z. B. würden Lastwagen an einem Ort, sagen wir mal südlich von Warschau, für alle bolos oder Städte zwischen dem Ural und dem Atlantik produziert. Und dann würde man mal wahrscheinlich nur noch Module produzieren, man würde ein mitt-leres, ein großes und ein kleines Modul produzieren, also einen Motor, und die könnte man dann in bolos oder Städten zusammenbauen zu dem, was man braucht. Das sieht man heute schon in der "Dritten Welt". Alle diese öffentlichen Busse werden ja dort gebaut. Das Chassis wird dort gebaut und geliefert werden nur mehr Motoren und Getriebe. Das ist jetzt schon eine effiziente Technologie. Wie man das jetzt macht? Das würde ich einfach schlicht mit Geld machen, die bezahlt man dann. Natürlich kann man jetzt sagen, wie kommt man jetzt zum Geld? Das kann natürlich nur so passieren: entweder bezahlt man sie oder man hat eine Quote. Wir brauchen so und so viele Lastwagen, und dann müssen die Arbeiter, die dort Lastwagen produzieren, indirekt über Geld von uns bezahlt werden - aber es ist eigentlich sehr we-nig. Und zu diesem Geld könnte man allenfalls kommen, wenn man einen Teil von den Gütern, von der Arbeitskraft oder den landwirtschaftlichen Produkten dann eben für Geld verkauft. Man kreiert automa-tisch einen subkontinentalen Markt, wenn man das macht.

Wenn Leute eng zusammen wohnen, gibt es eine intrinsische soziale Kontrolle, die keine Durchsetzungs-organe braucht. Also einfach im Stil von: Was machst du da schon wieder? Die Beobachtung ist einfach viel größer. Das ist schön in dem Sinne, dass es sehr viele Formen von schädlichen sozialen Verhaltens verhindert und man sich Polizei sparen kann. Ich nehme an, die Polizei kann auch auf ein Zehntel des heutigen Bestandes schrumpfen. Das Problem ist eher umgekehrt, wenn ich mich als "ibu", also als Per-son darstelle: wieviel von dieser sozialen Kontrolle ertrage ich überhaupt? Das kann auch ein Problem sein, das ist eine Frage des Mischungsverhältnisses. Wenn es keine soziale Kontrolle gibt, hat man Ghet-toverhältnisse, Chaos und Anarchie - im schlechten Sinne -, und muss auf jedem Stockwerk einen Poli-zisten haben. Das ist schlecht. Es muss aber auch einen Spielraum geben, dass man sich gegenüber die-ser internen Kontrolle auch wieder verteidigen kann. Der eine Spielraum ist die Größe. Wenn es 500 sind, ist eine Grundanonymität gesichert. Dann kann man Sachen machen, dass bolos z. B. mehrere Aus- und Eingänge haben, damit man sich nicht sieht. Kleine bolos würden diese Kontrolle wahrscheinlich zu einem Alptraum werden lassen, größere sind besser. Die bolos haben einen globalen bolo-Vertrag, ich kann jederzeit ausziehen mit einer Kündigungsfrist, und jedes andere bolo hat ja 10 Prozent Raum zur Verfü-gung für Leute, die einfach mal so als Gast kommen, aber vielleicht dann bleiben. Ich kann überall aus-ziehen, überall einziehen. Das hält Leute dann davon ab, ihre soziale Kontrolle allzu stark auszunützen, weil sie dann Angst haben müssen, dass ich gehe.
Die Gefahr, wenn man von bolos zu reden beginnt, ist, dass man sie als isolationistische Gebilde an-schaut. So ein bisschen wie die größeren Kommunen der 70er Jahre. Davon möchte ich mich ganz dra-matisch distanzieren. Für mich sind bolos effektiv Beitrittsvereine in bürgerlicher Form, kann man sagen. Vertraglich tritt man da bei, man tritt wieder aus, man bringt vielleicht sein Vermögen ein, nimmt es dann wieder mit. Das sind keine Kommunen. Auch intern wohnen da vielleicht Familien oder Wohnge-meinschaften und Einzelpersonen, die haben ihre eigenen Privaträume. Es kann ja schon bolos geben, wo sie in riesigen Schlafsälen schlafen möchten, da kann man sie ja wirklich nicht daran hindern - ist auch schön. Aber es können auch klösterliche Sachen sein. Was man natürlich braucht, ist ein planetarer bolo-Vertrag, bei dem würde bei mir nun dazugehören, dass 10 Prozent des Wohnraumes und der Lebensmit-tel in jedem bolo für Gäste reserviert sind, damit diese isolationistischen Tendenzen überwunden werden. Jedes bolo muss sich zu einem gewissen Grad öffnen.

top

 
All Contents with indicated Authors © by the Authors,
all other Contents © 2002-2004 by www.republicart.net
contact @eipcp.net
EIPCP multilingual webjournal ISSN 1811 - 1696