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Martin Krenn 07/02 - 03/04
City Views - in between download pdf
 

Wir lassen es nicht zu, mit den Fangarmen der Legalität erwürgt zu werden. Wir überschreiten das Territorium der Legalität und des Erlaubten. Wir suchen andere Formen des Bewohnens, des Prioritätensetzens, der Kommunikation, des Inbesitznehmens. Wir erschließen neue Möglichkeiten zur Aneignung unserer Fähigkeiten, Potenziale, Träume und Utopien. Emigrieren ist ein Grundrecht!
(Luzenir Caixeta, aus Migrantische Öffentlichkeitsarbeit als Kulturarbeit, Konferenz Transversal)

 

"City Views" versteht sich als "work in progress" und wird in Zusammenarbeit mit MigrantInnen[communities] in europäischen Städten realisiert. Es werden emanzipatorische Orte aber auch Orte des Ausschlusses migrantischer Öffentlichkeiten aufgesucht und in Form einer mit Text kommentierten Fotoserie verarbeitet.

Ergänzend dazu wird in einem Video Fragestellungen nachgegangen, die durch die Zusammenarbeit mit den am Projekt beteiligten StadtbewohnerInnen aufgeworfen worden sind.

Kooperationen mit Kunstinstitutionen in den verschiedenen Städten sehen vor, die Recherche im Vorfeld und die Realisierung des Projekts zu unterstützen. Am Ende dieses Prozesses steht die Präsentation der ausgearbeiteten Ergebnisse der jeweiligen Stadt zusammen mit denen anderer Städte als Ausstellung.

So werden in der Ausstellung verschiedene Perspektiven auf die jeweils untersuchten Städte zueinander in Beziehung gesetzt und Einblicke in verschiedene Städte mit Blickrichtung auf die spezifischen sozialen und kulturellen Verhältnisse von urbanen Orten an welchen MigrantInnen[communities] agieren, geboten.


Theoretischer Hintergrund

Anknüpfend an Derridas Konzept der differance (Differenz als bewegliche Kategorie von artikulatorischen Praxen), und im Gegensatz zum multikulturalistischen Differenzdiskurs, der zwar kulturelle Vielfalt anerkennt, jedoch kulturelle Differenz kontrolliert und ethnisch-kulturelle Identitäten festschreibt, werden bei "City Views" die Sichtweisen von StadtbewohnerInnen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen ins Zentrum gerückt.

Wie unterscheiden sich ihre Lebensbedingungen von denen der majoritären Gesellschaft? Wie sehen diese Differenzen aus? Inwieweit werden MigrantInnen durch "multikulturelle" Vorstellungen der jeweiligen Mehrheitsgesellschaft stigmatisiert? Durch Kooperationen mit diesen StadtbewohnerInnen soll Differenz anhand von Orten, die in offiziellen Stadtansichten nicht vorkommen, oder anders dargestellt werden, visualisiert werden.

Städte repräsentieren sich gerne über ihre Sehenswürdigkeiten und ihr "kulturelles Erbe". Vorstellungen, wie die vom "gemütlichen Wiener" oder dem "charmanten Franzosen" sollen eine eigene kulturelle Identität konstituieren, mit dem Ziel TouristInnen (gewünschte Fremde) anzulocken. In Prospekten, Fremdenverkehrsbroschüren oder Wahlbroschüren politischer Parteien werden durch bewusst gewählte Stadtansichten hegemoniale Vorstellungen einer stadt- und landestypischen Kultur repräsentiert. Kultur wird als Konsumobjekt fetischisiert und somit jedem instrumentellen Zweck dienstbar gemacht werden. Der Glaube an einen in sich geschlossenen Kulturraum legitimiert den Ausschluss minoritärer Gruppen, die nicht in dieses Bild passen.

Im Zuge der sogenannten Globalisierung ist Kultur als integrierter, monolithischer Block, als identitätsbildendes Referenzsystem, das geographisch verortbar wäre, allerdings nur mehr bedingt aufrechtzuerhalten. Kultur wird offen für Interpretation und damit auch für "Übersetzung". Die Bedeutung wird ausgehandelt und ist umkämpft, so dass schließlich alle Formen von Kultur andauernd in einem Prozess der Hybridität sind. Das "Originäre" ist stets offen für Übersetzung, die Annahme eines totalisierten vorherigen Inhalts - einer Essenz - wird folglich haltlos.

Unter den Bedingungen des globalen Warenkapitalismus ist allerdings auch ein massiver Rückgriff auf ausgrenzende und ethnisierende Identitätskonstruktionen, statt einer Bewusstwerdung der eigenen Hybridität, zu beobachten. Die "westliche Gesellschaft" in welcher per Gesetz Flüchtlingen aus ärmeren Staaten die Einreise verweigert wird und die gezielt MigrantInnen ausschließt, produziert eine Kultur der Insensibilität, die sich sowohl im erstarken rechtsradikaler Gruppen, als auch in subtilen Alltagsrassismen niederschlägt.


Umsetzung

Vor den Recherche- und Realisierungsaufenthalten werden die StadtbewohnerInnen in den jeweiligen Städten telefonisch bzw. schriftlich kontaktiert und eingeladen sich zu beteiligen. Fragestellungen, wie die der Macht, Repräsentation, der Produktion und der Aneignung des Raumes stehen im Vordergrund. Besonderes Interesse wird auf urbane Orte gelegt, die sich in Zwischenbereichen ansiedeln, kaum wahrgenommen werden oder durch die Machtverhältnisse innerhalb der Gesellschaft eine andere Codierung erfahren.

Sieht man eine touristische Attraktion wie zum Beispiel das Wiener Rathaus als "Einbürgerungsmaschine" (B. Houman), wo MigrantInnen oft jahrelang um ihre Staatsbürgerschaft ansuchen müssen und immer wieder abgewiesen werden, so verlieren die am Rathausplatz häufig stattfindenden Freizeitveranstaltungen ihren weltoffenen multikulturellen Charakter.

Im Kontrast zu solchen "Nicht-Orten" (Orte des direkten oder indirekten Ausschlusses), wird bei dem Projekt "City Views" das Schwergewicht auf emanzipatorische Orte gelegt.

Focusiert werden Räume, die von MigrantInnen politisch und kulturell selbstverwaltet sind. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang eine Kooperation mit der "Universal Embassy" in Brüssel (ehemalige somalische Botschaft in Brüssel, die von illegalisierten Flüchtlingen besetzt ist).

Während der Aufenthalte in den Städten führen die am Projekt Beteiligten durch ihre Stadt und schlagen jeweilige Orte als Motive vor. Dabei wird auch die Art, wie die fotografische Aufnahme erfolgen soll gemeinsam festgelegt. In einem längeren Prozess wird über E-Mail die Auswahl der Fotos festgelegt und diese durch Textkommentare von den am Projekt Beteiligten ergänzt.

 

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