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Natasa Ilic 04/03
DIE WIEDERKEHR DER PARADE
Die Ausstellung "Formen der Organisation" in Ljubljana und in Leipzig
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"Formen der Organisation" war eine Ausstellung in der Ljubljanaer Galerija Skuc und in der Galerie der Hochschule für Gestaltung und Buchkunst Leipzig, die sich mit solchen organisatorischen Formen der Bewegungen für soziale Gerechtigkeit auseinander setzte, die sich nicht auf existierende Formen politischen Verhaltens beziehen, sondern außerhalb des durch das System definierten Feldes entstehen.

Die Repräsentation politischer Erfahrung wurde dabei von den Wiener Kurator/innen Roger M. Buergel und Ruth Noack bewusst im Sinne einer "konventionellen" Ausstellungsform umgesetzt, in der erhebliches Vertrauen in die Macht der Bilder investiert wurde, einen politischen Diskurs auszuformen.

Die von Roger M. Buergel und Ruth Noack organisierte Ausstellung befasste sich nicht mit der Kollektivität der Kunstwelt. Ihr Schwerpunkt lag stattdessen auf dem Konzept des kollektiven Werks in Anlehnung an Leo Bersanis Denkmodelle zu neuen Wegen des "Zusammenseins". Sie sind nicht vorherrschend reaktiv, gegen etablierte hierarchische Beziehungsmuster – die Unterschiede im Bezug auf Über- und Unterlegenheit, auf dominante und unterdrückte Gruppen aufstellen; vielmehr stellen sie den Primat des hierarchischen Unterschieds als fundamentale Beziehungsstruktur an sich infrage. Die ästhetische Gestaltung der Ausstellung basierte auf Analogien und Korrespondenzen, der Vorstellung, dass Bersanis Neuauflage von Baudelaires Theorie der Korrespondenzen das Potenzial der ästhetischen Erfahrung beschreibt, das Wesen der Bezüge selbst neu zu durchdenken und gegebene Kategorien und Werte infrage zu stellen, indem sie weder im adaptiven noch im transgressiven Sinne mit ihnen in Beziehung tritt. Die sich aus der Anordnung der Werke, welche in dialogische Beziehungen zueinander gesetzt sind, ergebenden Korrespondenzen, heben eine Kritik der Ideologie dessen hervor, was Bersani als "Identität als Autorität" bezeichnet – einer Ideologie, die den präsentierten Werken implizit im selben Maße innewohnt, wie die Formen der Korrespondenzen von gewöhnlichen sozialen Formen abweichen.

Die Ästhetisierung natürlicher Phänomene ist das Thema von Simon Wasmuths Video abstrakter Motive aus dünnen weißen Linien aus "Regen" ganz in der Nähe von Andrea Geyers Fotografie von Blättern, die die "Qualität" der ornamentalen Formen in der Spannung zwischen natürlicher Kreation und der transformatorischen Macht des Blicks verdeutlicht. Ein weniger offensichtlich "pastorales" Motiv ist auch in Ines Doujaks Environment "Parade", einem Modell einer Gay Pride Parade aus kleinen hölzernen Lastern präsent. Die Laster sind mit ausgeschnittenen Fotografien von Menschen bedeckt, die sich vor einem Betrachter in Pose werfen, ausgestattet mit sexuellen Accessoires, die von den gängigen heterosexuellen Stereotypen der Darstellung lesbischer und homosexueller Sexualität abweichen. Im Gegensatz dazu fungieren dekorative Zimmerpflanzen, die auf einigen der Laster platziert sind, als unheimliche Details, die auf das Wirkliche hindeuten, von dem aus das Bild selbst auf uns zurückblickt. Der aus Lastern gebildete Kreis ist an einem Punkt unterbrochen. Diese Leere, ein "Loch" in der Mitte der Parade fungiert gleichzeitig als eine Schwelle, als möglicher Eintrittsort wie auch als ein Ort, der jedem Relativierungsversuch, jedem Versuch, es auf eine der Verkörperungen zu reduzieren, es auf ein Ergebnis der Umstände zu beschränken, widersteht.

Auf bestimmte Weise klingt das "Loch" auch in Peter Friedls "New Kurdish Flag" an, einer Kopie der kurdischen Flagge, in der das Rot durch Pink ersetzt ist und der Stern in der Mitte ausgeschnitten wurde. Eine Flagge ist das Symbol von Souveränität und nationaler Identität, dessen Autorität man sich nicht entziehen kann. Das Loch in der Flagge allerdings, das der Ort ist, von dem das überdeterminierte Symbol entfernt wurde, soll nicht etwa an die Schleifung von Symbolen in den früheren kommunistischen Staaten nach 1989 erinnern, an die Zeiten der Formierung einer "Neuen Harmonie", als ein solches Loch die einzige Möglichkeit darstellte, sich in Distanz zum herrschenden Symbol zu positionieren. Vielmehr ist es ein möglicher Ort für eine politische Forderung über die Autorität nationaler Identität hinaus. Die Vorstellung von Leere, einem Loch, einem freien Raum, ist auch für die Arbeit "Cambio de Lugar – Change of Place" von Andrea Geyer und Sharon Hayes von Bedeutung. Das Projekt setzt eine Reihe von Dialogen mit Frauen in Gang, die in unterschiedlichen (Sprach-)Kontexten leben. Die Künstlerinnen haben einen Grundkatalog von Fragen geschaffen, eine gemeinsame Ausgangsbasis zur Auseinandersetzung mit politischen und gesellschaftlichen Gender-Artikulationen aus spezifischen und unterschiedlichen Positionen. Die Video-Dokumentation jedes dieser Interviews zeigt lediglich das Bild der Übersetzerin und hebt damit die Bedeutung der Übersetzung für die Wissensproduktion hervor; gleichzeitig verwehrt sie den Betrachter/innen die Möglichkeit, sich auf die interviewte Person zu projizieren oder sich mit ihr zu identifizieren. Auf diese Weise wird ein Freiraum geschaffen, in dem die Produktion der diskursiven Information eindeutig nicht nur im Interview selbst, sondern auch in der Wahrnehmung durch den Betrachter verortet ist.

Die Diaprojektion des baskischen Künstlers Ibon Aranberrie verband gespenstische Diagramme nicht erkennbarer Herkunft mit historischen Bildern vom Protest gegen die Errichtung eines Atomkraftwerks im Baskenland in den späten Siebzigern, als ökologischer Protest zum Ausgangspunkt für die Artikulation politischer Forderungen nach dem Ende der Franco-Ära wurde. Indem sie zwischen der dokumentarischen Qualität der Archäologie des Protests und einem nicht verwirklichten utopischen Projekt oszilliert, kreist seine Arbeit um ein Gefühl der Unsicherheit und der Leere und setzt auf das gesellschaftliche Moment, um das herum sich die "baskische Sache" des Nationalismus, unterstützt durch eine fortschrittliche soziale Bewegung, formiert hatte. Eine ähnlich tastende Rekonstruktion einer Geschichte, die nie stattgefunden hat, zeichnete sich auch in Andreas Siekmanns Projekt "Wir reisen für Bakunin"(1992) ab, bei dem Männer gesucht wurden, die eine äußerliche Ähnlichkeit mit dem Anarchisten Bakunin verbindet, die dann an verschiedenen Orten einer fast werbemäßigen Tourneeroute ein kostenloses Mittagessen spendiert bekamen. Das daraus entstandene Buch ist keine Dokumentation des theatralischen Ereignisses der Zusammenkunft so vie-ler Bakunins, die Zeichnungen ähneln vielmehr Instruktionen, die mögliche Vorschläge, sich der Wirklichkeit zu nähern, enthalten, immer verbunden mit einem Möglichkeitsdenken für Veränderungen. Die Karte von irwin greift das strategische Konzept dieser Gruppe auf, die Kunstgeschichte als "Schlüsselterritorium" zu betrachten. Sie attackiert polemisch den scheinbar universalen Modernismus, indem sie andeutet, dieser sei de facto ein bloß "westlicher Modernismus" und indem sie retrospektiv und bewusst eine Karte des ganz eigenen Modernismus des Ostens entwirft und somit verdeutlicht, was dem Osten verwehrt geblieben ist.

Die Ausstellung entgeht der Versuchung, sich mit soziologischen Interpretationen von Kunst zu befassen, die unter Bedingungen der Gemeinschaft entstanden ist, und mit der Ästhetisierung von Praktiken, die ansonsten als vorwiegend gesellschaftlich und politisch betrachtet werden müssen. Der Blickpunkt liegt nicht auf experimentellen Organisationsformen, die neue Formen der Selbstorganisation und der Verbindung mit anderen Experimenten ausloten, sondern auf der ästhetischen Darstellung neuer Organisationsformen in den Erfahrungen des Politischen, wobei unter Beweis gestellt wird, dass die ästhetische Erfahrung in der Lage ist, Beziehungsmodelle zu erwägen, indem sie sich nicht etwa an sie anpasst, sondern indem sie vielmehr unsere Sehgewohnheiten verändert. "Organizational Form" steht denjenigen Stimmen nahe, die die Rückkehr zur Ästhetik just in jenem Moment propagieren, in dem es immer augenfälliger wird, dass im Hinblick auf Ästhetik nichts mehr selbstverständlich ist. Die Ausstellung schafft es, weiter darauf hinzuarbeiten, den Wert der ästhetischen Erfahrung für die künstlerische, kulturelle und ästhetische Analyse wiederzuentdecken. Sie erreicht diese Wirkung, indem sie das ästhetische Vergnügen wieder in den vermischten, unsauberen Bedingungen situiert, die für jegliche soziale Praxis und Erfahrung, ganz ungeachtet dessen, wie privilegiert oder marginalisiert sie sein mag, charakteristisch sind, und indem sie die Ästhetik im Spannungsverhältnis zu ihren historisch dominanten diskursiven Formulierungen betrachtet.

 

"Formen der Organisation", mit Raimond Chaves, Alice Creischer/Andreas Siekmann, Ines Doujak, Latifa Echakhch, Parastou Forouhar, Peter Friedl, Andrea Geyer/Sharon Hayes, irwin, Rainer Oldendorf, Lisl Ponger, Alejandra Riera, Dierk Schmidt, Simon Wachsmuth, Konzeption: Roger M. Buergel und Ruth Noack, Galerija Skuc, Ljubljana (in Zusammenarbeit mit Gregor Podnar sowie mit einem Beitrag von Peio Aguirre und Leire Vergara), 28. November 2002 bis 15. Januar 2003; Galerie der Hochschule für Gestaltung und Buchkunst, Leipzig, 11. April bis 10. Mai 2003.

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Die Besprechung erschien zuerst in Texte zur Kunst, Heft 50 / Juni 2003.

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