raimund 
                        minichbauer: die 
                        ausstellung hier im o.k, die du gemeinsam mit thomas edlinger 
                        und roland schöny kuratiert hast, trägt den titel open 
                        house, die veranstaltung im rahmen der ausstellung 
                        hieß open weekend, 
                        und an der fassade des o.k hängen zwei transparente, die 
                        'free kunst' 
                        ankündigen. könntest du davon ausgehend bitte kurz das 
                        konzept skizzieren, wie kunst und öffentlicher raum im 
                        projekt zueinander in beziehung gesetzt werden?  
                        stella 
                        rollig: es 
                        hat vor geraumer zeit ein gespräch mit gerald raunig stattgefunden, in dem er mir von den planungen 
                        zu republicart erzählt hat und wir uns über das 
                        thema - die frage nach öffentlichkeits-begriffen - verständigt 
                        haben. davon ausgehend habe ich 
                        dann mit meinen beiden kollegen für das o.k ein ausstellungsprojekt 
                        entwickelt. nachdem man bei öffentlicher kunst, public 
                        art oder eben republicart sehr oft projekte im öffentlichen 
                        stadtraum andenkt, haben wir bald gemerkt, dass wir ein 
                        schlüssiges konzept finden müssen, das den schwerpunkt 
                        auf unseren auftraggeber als ausstellungsort legt. ein 
                        solcher tut sich in erster linie meist ganz pragmatisch 
                        wegen beschränkter budgets schwer damit, alle aktivitäten 
                        dezentral stattfinden zu lassen. man ist als kuratorin 
                        also herausgefordert, mit dem forum ausstellungshaus zu 
                        arbeiten. der titel open house geht darauf zurück, 
                        dass wir angestrebt haben, die position so eines ausstellungshauses 
                        für künstler/innen und besucher/innen zu reflektieren, 
                        die an öffentlichen themen in der kunst interessiert sind. 
                        open house bezieht sich auf den eigentlichen namen 
                        des o.k, wo diese abkürzungsbuchstaben für 'offenes kulturhaus' 
                        stehen. so wurde es bei seiner gründung zu beginn der 
                        90er jahre genannt, beim relaunch 1998 - der ein architektonischer 
                        war, aber auch einer in bezug auf die corporate identity 
                        des hauses, wenn man so will - ist das fast verschämt 
                        hinter dem kürzel verschwunden. noch einmal das 'offene 
                        kulturhaus' zur diskussion zu stellen war eine intention. 
                          
                        free 
                        kunst 
                        ist jene arbeit, die wirklich im außenraum platziert ist: 
                        im freiraum auf diesem großen, manchmal arena-platz genannten, 
                        merkwürdig unbebauten freien gelände hier vor dem o.k, 
                        mitten im zentrum von linz. 'free kunst', dieser zweisprachige 
                        slogan soll verschiedene fragen bündeln, oder eigentlich 
                        herausfordern, die sich im zusammenhang mit dem status 
                        von kunst und öffentlichkeit stellen: 'free kunst' bedeutet, 
                        dass es hier etwas gratis gibt, im sinn von 'free drinks' 
                        - steht denn kunst gratis zur verfügung? der kunst wird 
                        oft vorgeworfen, dass sie so stark vermarktet wird, dass 
                        sie ein extrembeispiel des kapitalistischen wertschöpfungsprozesses 
                        sei. auf der anderen seite kann man es der kunst nicht 
                        nehmen, dass man sehr wohl gewinn aus ihr ziehen kann, 
                        ohne dass finanzielle transaktionen stattfinden; und diese 
                        gewinne können ideeller natur sein: wissen, freude usw. 
                        die andere bedeutung von 'free kunst' wäre, dass man etwas, 
                        nämlich kunst, befreien muss. damit kommen wir zu überlegungen, 
                        ob kunst denn in ihren zugewiesenen reservaten - oder 
                        wie ein zootier - eingeschränkt, eigentlich eine gefährdete 
                        spezies ist, die nur mehr in geschützten zonen überleben 
                        kann, bzw. ihr diese zonen zugewiesen sind. 'free kunst' 
                        ist dann eher so konnotiert wie in dem filmtitel free 
                        willy, wo ein wildes ozeantier, nämlich ein wal, aus 
                        der gefangenschaft entlassen werden soll.  
                        
raimund 
                          minichbauer: ich 
                          möchte gerne beispielhaft auf einzelne projekte in der 
                          ausstellung eingehen und beginne mit commonopoly, 
                          einem projekt, das sich mit commons, also jenseits des 
                          kapitalistischen tauschprozesses zur verfügung stehenden 
                          objekten und 'dienstleistungen' beschäftigt. das projekt 
                          basiert auf einem längeren rechercheprozess. welche 
                          recherchen haben stattgefunden und wie transformiert 
                          sich der prozess in der ausstellung über diese spielerische 
                          oberfläche?  
                          stella 
                          rollig: wir 
                          haben uns grundsätzlich eine sehr genaue 
                          ausstellungsdramaturgie 
                          überlegt, sodass wirklich 
                          eine arbeit thematisch in die andere übergreift, manchmal 
                          mit einem link, manchmal sogar mit links, die man auf 
                          verschiedenen ebenen ausmachen kann. eine überlegung 
                          war, an den beginn der ausstellung eine verortung in 
                          linz zu setzen. es gibt mehrere arbeiten in der ausstellung, 
                          die sich ganz spezifisch mit der stadt linz beschäftigen. 
                          commonopoly, 
                          im ersten raum, ist eine davon. es handelt sich um ein 
                          spiel der künstlergruppe big hope, das sich auf ökonomische 
                          verhältnisse bezieht. es gab vorläuferprojekte in anderen 
                          städten, die ich mit miklos erhardt, einem der drei 
                          künstler in der gruppe auch vorab besprochen hatte, 
                          und mir dann eine adaption des projekts für linz interessant 
                          erschien. grundsätzlich geht es im projekt darum, einen 
                          umgang mit dem thema ökonomie zu demonstrieren, der 
                          emanzipiert, eigenständig und nicht eingeschüchtert 
                          ist. es lässt sich beobachten, dass ökonomie zu einer 
                          art höherer macht stilisiert worden ist, nach deren 
                          gesetzen ganze nationale regierungsprogramme ausgerichtet 
                          werden; zinsen und indizes werden verändert, beeinflussen 
                          die vermögensverhältnisse nicht nur von großkapitalisten, 
                          sondern auch von vielen vielen kleinaktionären. kurz 
                          und gut, es kommt alles von oben, es wird immer auf 
                          die wirtschaft - 'das muss so sein' usw. - rekurriert. 
                          big hope zielen darauf ab, einerseits eine annäherungsform 
                          zu finden, die diesen bereich entmystifiziert, und andererseits 
                          zu demonstrieren, dass es auch andere möglichkeiten 
                          als den kapitalistischen warenumschlag gibt. ein vorläuferprojekt 
                          wurde in der ungarischen stadt dunaujvaros 
                          durchgeführt, die als ehemalige schwerindustriestadt 
                          in gewisser weise mit linz vergleichbar ist, gegenwärtig 
                          aber ganz anders als linz sehr große wirtschaftliche 
                          probleme hat. ein strukturwandel steht bevor bzw. beginnt 
                          gerade. big hope haben mit einwohner/innen von dunaujvaros 
                          interviews geführt und sie über ihre vorstellungen zu 
                          ökonomie befragt. was bedeutet für sie 'gute 
                          wirtschaft', was 'schlechte', begriffe aus den nachrichten 
                          wurden in persönlichen gesprächen auf ihre auswirkungen 
                          fürs individuelle leben untersucht. beim nächsten projekt 
                          in berlin wurden die interviews dann erstmals mit einer 
                          formfindung verknüpft, nämlich dieses commonopoly-spiels, 
                          wo alternative waren- oder dienstleistungskreisläufe 
                          dargestellt werden in form eines überdimensionierten 
                          gesellschaftsspiels. dieses spiel haben big hope in 
                          der nächsten phase für open house adaptiert, 
                          d.h. sie haben in das spiel materialien eingespeist, 
                          die sie in linz gefunden haben, also etwa hinweise auf 
                          und adressen von linzer tauschzirkeln, oder fotos, 
                          ansichtskarten von linzer plätzen. es wird dann z.b. 
                          dazu aufgefordert, einen anderen gebrauch solcher plätze 
                          zu erfinden, vorzuschlagen. es soll auch immer ein gefühl 
                          von solidarität erzeugt werden, es gibt etwa spielanweisungen, 
                          die beinhalten, dass man, wenn ein mitspieler irgendwo 
                          hängt bei einer aufgabe, ihm helfen soll anstatt ihn 
                          zu überflügeln.   
                        raimund 
                          minichbauer: du 
                          hast schon angesprochen, dass die räume im erdgeschoß 
                          sich auf die situation in linz beziehen. projekte wie 
                          für linz, die deutscheste stadt österreichs 
                          von marco lulic geben diesem linz-teil historische tiefenschärfe 
                          ...  
                          stella 
                          rollig: wir 
                          können fünf projekte, die räumlich diese erdgeschoßzone 
                          einnehmen, so beschreiben, dass sie einen historischen 
                          bogen schaffen und die zeitliche spanne aufmachen von 
                          der zeit des nationalsozialismus bis zur unmittelbaren 
                          gegenwart. inhaltlich geht es einerseits um ökonomische 
                          umwälzungen - nicht nur im bereits beschriebenen commonopoly-spiel 
                          von big hope, sondern z.b. auch in der arbeit von andrea 
                          van der straeten, die sich auch räumlich 
                          leitmotivisch durch die gesamte ausstellung zieht. die 
                          jüngsten stadtplanerischen und damit eben auch ökonomischen 
                          entwicklungen in linz sind in der weise repräsentiert, 
                          dass andrea van der straeten gerüchte gesammelt hat, 
                          die zu diesen bevorstehenden oder schon vor sich gehenden 
                          veränderungen in umlauf sind. diese veränderungen sind 
                          sehr signifikant, weil sie ausgelöst sind von jeweils 
                          ganz zeittypischen erscheinungen, etwa der, dass die 
                          ehemals staatlichen österreichischen tabakwerke, die 
                          atw, ihre fabrikationsstätte in linz, die sie nicht 
                          mehr in vollem umfang gebraucht haben, der kunstuniversität 
                          vermietet hatten, und die atw aber vor einiger zeit 
                          an 'gallaher', einen transnationalen konzern mit headquarters 
                          in england, verkauft worden sind. der neue besitzer 
                          will diese anlage nicht mehr als fabrikationsstätte 
                          halten, weder für zigaretten wie atw, noch als ort der 
                          wissensproduktion, wie als universität. die fabrikation 
                          wird jetzt sowieso endgültig ausgelagert, und das ganze 
                          wunderschöne peter behrens areal soll irgendeiner kommerziellen 
                          nutzung, die man dann immer mit dem englischen stichwort 
                          'developing' benennt, zugeführt werden. das bedeutet, 
                          dass die universität - die kunstklassen dort - vertrieben 
                          wird. sie muss sich neue räume suchen, und wie in einem 
                          dominospiel, im berühmten bild von dem einen stein, 
                          der umfällt und alle mitreißt, sind auch in linz zusammenhängende 
                          entwicklungen im gange: die kunstuniversität sucht räume, 
                          die auch vermutlich frei werden in der innenstadt, weil 
                          die landesregierung ins neue dienstleistungszentrum 
                          am neu gebauten bahnhof zieht, was wiederum einer tendenz 
                          zu großen funktionalen maschinen, die gleichzeitig verwaltung, 
                          büros und kommerz - nämlich im zusammenhang mit shopping-malls 
                          gebaut sind, entspricht. diese aktuellen entwicklungen 
                          gehen in einer stadt vor sich, die durch ihr erbe aus 
                          der zeit des nationalsozialsmus, als hitlers lieblingsstadt, 
                          historisch besonders belastet ist - natürlich auch durch 
                          die voest, die ehemaligen herman göring werke, die dann 
                          im sozialistischen österreich zur voest wurden. auf 
                          diese vergangenheit beziehen sich gleich zwei arbeiten, 
                          nämlich einerseits die von michael blum und andererseits 
                          die von marko lulic. beide stellen, weil sie von denkmal- 
                          und erinnerungskultur sprechen, auch die fragen nach 
                          dem öffentlichen raum und der verfügungsgewalt über 
                          erinnerung, über markierungen. michael blum schlägt 
                          vor, ein denkmal für den gemeinsamen schulbesuch von 
                          ludwig wittgenstein und adolf hitler in linz zu errichten, 
                          und marko lulic erinnert an den berühmten linzer - eigentlich 
                          im hausruck geborenen - bildhauer, maler und typographen 
                          herbert bayer. das sind in beiden fällen sonden, die 
                          in präkere zu diskutierende phasen der stadtgeschichte 
                          ausgesandt werden.   
                        raimund 
                          minichbauer: das 
                          radio ballett der gruppe ligna 
                          könnte man vielleicht als organisierte form von 'städtischem 
                          handeln' 
                          bezeichnen. könntest du bitte das projekt kurz skizzieren 
                          und auch auf die frage eingehen, wie die dokumentation 
                          entstanden ist?  
                          stella 
                          rollig: diese 
                          arbeit von der gruppe ligna radio ballett ist 
                          insofern in der ausstellung eine ausnahme, als sie die 
                          dokumentation eines projekts im öffentlichen raums darstellt. 
                          es ist allerdings hier in einer audiovisuellen installation 
                          inszeniert, so dass es eigentlich über eine pure dokumentation 
                          hinausgeht. diese arbeit ist in einem eigenen kapitel 
                          hier in der 'schlucht' des o.k präsentiert, das sich 
                          wie du sagst mit 'städtischem handeln' beschäftigt, 
                          mit der aufforderung zur inbesitznahme von öffentlichem 
                          raum. dazu gibt es drei vorschläge, oder drei analysen. 
                          im ligna-beitrag wird eine aktion repräsentiert, bei 
                          der sich am bahnhof von leipzig eine ansehnliche anzahl 
                          von menschen zusammengefunden hat, um plötzlich eine 
                          offenbar merkwürdige art von choreographierten gesten 
                          und bewegungen auszuführen. das ganze scheint verwandt 
                          zu sein mit der letztes jahr so gehypten bewegung der 
                          flash mobs, wo man sich per sms verarbredet, um an einem 
                          ort der stadt ganz kurzfristig irgendwas merkwürdiges 
                          im pulk zu unternehmen. während flash mobs aber mehr 
                          nonsense-aktionen sind, ist diese aktion erstens technisch 
                          anders produziert - das ballett wurde live gesteuert 
                          über eine radiofrequenz des freien radios und durch 
                          radioempfänger, die alle teilnehmenden im ohr hatten 
                          -, und inhaltlich waren die gesten und bewegungen sehr 
                          wohl auch mit kritischer bedeutung aufgeladen, weil 
                          vieles davon auf bahnhöfen untersagt ist, um das soziale 
                          verhalten und auch die soziale zugänglichkeit von solchen 
                          bahnhofsgebäuden zu reglementieren. es wurde z.b. die 
                          geste des bettelns in einer übertriebenen form des handaufhaltens 
                          gemacht, oder hinsetzen, hinlegen und ähnliches. die 
                          arbeit steht unmittelbar neben einer von silke wagner, 
                          die sich mit dem streetskaten befasst. silke wagner 
                          empfindet das streetskaten als eine praktische form 
                          der aneignung von öffentlichem raum, eine anti-autoritäre, 
                          die oft auch gegen korporatisierte architektur oder 
                          räume gerichtet ist: auf firmen- oder auch kulturarealen, 
                          solchen plazas, sieht man ja oft skater, weil das einerseits 
                          sehr geeignete plätze, geeignete bodenflächen sind, 
                          aber es hat natürlich auch immer symbolischen charakter, 
                          und darum der bezug auf diese form städtischen handelns, 
                          städtischer bewegung. der dritte beitrag in dieser ausstellungszone 
                          stammt von der sozialpolitischen aktionistengruppe die 
                          glücklichen arbeitslosen. wir zeigen, wie sie im stadtraum 
                          und in internetforen für ihre idee von arbeitslosigkeit 
                          als positivem müßiggang statt sozialer stigmatisierung 
                          werben.    
                        raimund 
                          minichbauer: die 
                          camera silens 
                          erscheint gerade im kontext gegenwärtiger diskussionen 
                          um gouvernementalität etc. wie aus einem anderen zeitalter 
                          mit nicht sozialtechnisch sophistizierten, sondern einfach 
                          nur brutalen unterdrückungsmethoden. projekte wie jene 
                          von harun farocki oder andrea geyer 
                          erscheinen damit auch vor einem anderen hintergrund... 
                           
                          stella 
                          rollig: es 
                          geht im grunde auch um methoden von kontrolle und manipulation. 
                          überwachungstechnologie und kontrolle ist ja ein ganz 
                          großes thema in der auseinandersetzung mit öffentlichkeit, 
                          öffentlichem raum, stadtraum. das wird meist über videoüberwachung, 
                          closed circuit systeme abgehandelt. mit der camera 
                          silens wollten wir ein objekt - und damit auch ein 
                          bild oder einen erfahrungsraum - anbieten, wo dieses 
                          thema etwas anders und sehr anschaulich behandelt wird. 
                          die camera silens wurde von der siemens-forschung 
                          im auftrag des deutschen staates entwickelt, als man 
                          sich in den 70er jahren den kopf zerbrochen hat, wie 
                          man die raf-häftlinge quasi wieder auf den rechten weg 
                          zurückbringt, wie man in einem staat, der keine todesstrafe 
                          hat, dennnoch diesen brutalen vorgang realisiert, als 
                          gefährlich empfundene individuen 'unschädlich' zu machen. 
                          auch aus der kriegsführung bekannt ist hier die idee 
                          der mentalen umprogrammierung. so wurde von wissenschaftlern 
                          die camera silens entwickelt, weil angeblich 
                          die forschung erwiesen hat, dass, wenn man in dieser 
                          vollkommenen isolation - ohne geräusche, ohne visuelle 
                          eindrücke, wo man eigentlich nur mehr das eigene blut 
                          rauschen hört - eine bestimmte zeit verbringt, dann 
                          könnte man das gehirn wie eine festplatte neu programmieren. 
                          für uns ist das etwas überspitzt gesagt auch das, was 
                          sich die protagonisten in harun farockis film die 
                          schöpfer der einkaufswelten wünschen würden, die 
                          eben auch ihre potenziellen kunden manipulieren durch 
                          die anlage von solchen einkaufszentren, durch die räumliche 
                          abfolge, anordnung, durch musik etc. wenn sie jeden 
                          einzelnen in so eine camera silens setzen könnten und 
                          zu einem perfekten konsumenten umprogrammieren, wäre 
                          das ziel wohl erreicht.   
                        raimund 
                          minichbauer: das 
                          schon angesprochene open weekend 
                          war eine zweitägige veranstaltung hier im o.k. was war 
                          die thematische weiterung oder funktion dieser veranstaltung 
                          im kontext der ausstellung?  
                          stella 
                          rollig: open 
                          weekend 
                          überträgt fragen, die in den ausstellungsinstallationen 
                          auf eher allgemeiner metaebene des theoretischen und 
                          politischen behandelt werden, ins individuelle leben. 
                          also nicht wie in der ausstellung: das ökonomische, 
                          das soziale, die erinnerungskultur - sondern: wie lebe 
                          ich selbst? und da sind es vor allem begriffe wie die 
                          arbeitswelt und das sogenannte private, also die welt 
                          von liebe, sexualität, familie, beziehungen, die an 
                          dem open weekend behandelt wurden. zu beziehungen, 
                          sexualität war z.b. eva illouz eingeladen - die dann 
                          leider im letzten moment abgesagt hat, aber im katalog 
                          repräsentiert ist. eva illouz hat sich in einer untersuchung 
                          mit der vorstellung von romantischer liebe und scheinbar 
                          sozial so unabhängig entworfenen freien beziehungen 
                          in unserer gesellschaft beschäftigt und herausgearbeitet, 
                          wie diese vorstellung schwer durchkapitalisiert ist 
                          und eigentlich von konsumindividuen aus agiert wird 
                          über konsumrituale. terre 
                          thaemlitz hat in seiner performance 
                          auch verschiedene entwürfe von liebe untersucht, von 
                          der sexuellen bis hin zur liebe, die dem individuum 
                          als liebe zur nation vermittelt oder suggeriert wird. 
                          auf der anderen seite der bereich der arbeitswelt, etwa 
                          guillaume paoli als vertreter der glücklichen arbeitslosen, 
                          deren aktionen - politische agitation, straßenperformances, 
                          internetkommunikation, -plattformen - alle darauf abzielen, 
                          diesen so weit verbreiteten und so gefürchteten und 
                          stigmatisierten zustand von arbeitslosigkeit neu, nämlich 
                          positiv zu denken.   
                        raimund 
                          minichbauer: wie 
                          hat das projekt praktisch funktioniert als versuch, 
                          den begriff der öffentlichkeit im kontext eines kunstraums 
                          zu behandeln?  
                          stella 
                          rollig: einerseits 
                          glaube ich, dass solche themen, die politische soziale 
                          öffentlichkeiten und funktionsweisen von öffentlichkeit 
                          betreffen, schon sehr gut aufgehoben sind in einem kunsthaus, 
                          weil sie da auf komplexerer, vielschichtigerer ebene 
                          vermittelt, rezipiert, diskutiert werden können. was 
                          andererseits nicht wirklich funktioniert hat, war die 
                          erwartung, dass ein projekt, das themen behandelt, von 
                          denen man meint, sie müssten doch eigentlich 'alle' 
                          interessieren, dann ein breiteres publikum ins kunsthaus 
                          zieht. tatsächlich bleibt das dann wahrscheinlich doch 
                          wieder auf ein kunstinsteressiertes publikum beschränkt. 
                           
                          raimund 
                          minichbauer: vielen 
                          dank für das gespräch.   
                        
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