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wolfgang zinggl | raimund minichbauer 05/2004
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raimund minichbauer: gabarage[1], das erste der beiden interventions-projekte, wurde im winter 2002/2003 durchgeführt und zielte darauf ab, eine struktur zu schaffen, in der ehemalige drogenabhängige nach einer langzeittherapie über sinnvolle, kreative und praktische arbeit zugang zum ersten arbeitsmarkt finden können. eingerichtet wurde eine werkstatt zum 'upcycling' ausgedienter oder fehlerhafter waren. wochenklausur hat sich schon 1998 in einem projekt mit upcycling beschäftigt. was ist die grundidee des upcyclings und wie wurde sie in dem projekt 1998 umgesetzt?
wolfgang zinggl: die idee des upcyclings beruht im wesentlichen darauf, gegenstände, die aus dem warenkreislauf herausgenommen wurden, aber nicht unbedingt fehlerhaft sind, wieder zurückzuführen, und zwar für einen veränderten zweck. wenn beispielsweise verkehrsampeln erneuert werden, weil sie nicht dem letzten stand der technik entsprechen, sind die alten verkehrsampeln eigentlich noch tauglich, werden aber in der regel weggeworfen. die idee des upcyclings beruht darauf, diese eigentlich noch halbwegs funktionstüchtigen gegenstände einem neuen verwendungszweck zuzuführen. wir haben zum beispiel - um auf gabarage zu kommen - aus den linsen dieser ampeln vasen gebaut. das waren wertvolle materialien, die ansonsten weggeworfen worden wären. beim projekt 1998 in linz war die grundintention, designer/innen über eine agentur mit ihren ideen zum upcycling an firmen weiter zu vermitteln, insbesondere an solche firmen, die regelmäßig mit größeren mengen an ausschusswaren aus dem produktionsprozess konfrontiert sind. ein beispiel sind fehlerhafte dosen von einer getränkefirma - wenn da nur ein ganz kleiner fehler vorliegt, wird das möglicherweise gleich tausendfach falsch gepresst. das projekt in linz wurde am ende einer agentur übergeben, die sich der sache kontinuierlich annehmen hätte sollen. soviel ich weiß, ist nur kurzfristig - ich glaube, ein jahr ungefähr - wirklich positiv und erfolgreich damit gearbeitet worden, und dann ist das so nach und nach eingeschlafen.

raimund minichbauer: wie ist jetzt die idee wieder aufgegriffen worden?
wolfgang zinggl: ich glaube an diese idee immer wieder und nach wie vor. wir haben im zusammenhang mit gabarage auch vielfach die erfahrung gemacht, dass es unzählige solcher materialien gibt. was allein von der stadt wien - im verkehrswesen und darüber hinaus - an lampen und kleinteilen entsorgt wird, die völlig funktionisfähig sind, gibt einfach anlass zu überlegen, wie man diese materialien systematisch zurückführen kann. ich weiß vom anton proksch institut, das die werkstatt gabarage jetzt betreibt, dass es überhaupt kein problem ist, an material heranzukommen. einige anrufe bei verschiedenen firmen genügen, und schon findet sich massenweise material, das mit dem lkw abgeholt werden kann. mit etwas mehr finanzinvestitionsmöglichkeiten betrieben, könnte glaube ich mit dieser idee auch noch etwas größeres aufgezogen werden.

raimund minichbauer: wie ist der aspekt der beruflichen qualifikation konzipiert? wird vor allem darauf abgezielt, dass die leute unabhängig von gabarage die upcycling-idee weiter betreiben?
wolfgang zinggl: nein. die vorteile für diejenigen, die dort angestellt sind, lassen sich leicht zusammenfassen: erstens ist es eine bezahlte beschäftigung; sie sind also nicht arbeitslos und kommen in den anspruch auf arbeitslosengeld danach - was ja nach der therapie nicht gegeben ist. zweitens macht ihnen die arbeit spaß, weil sie ständig neue ideen entwickeln und experimentieren können, auch relativ wenig stress haben. das ist also eine tätigkeit, bei der arbeit mit lust verbunden ist und sinn hat. drittens: sie können, sobald sie in der gabarage aufhören - das ist ja nicht auf ewig gedacht, es gibt ja immer leute, die nachrücken wollen -, bei firmen bzw. bei leuten, die in ähnlicher weise arbeiten, gut andocken. das ist jetzt nach kurzer zeit auch schon zwei leuten gelungen.

raimund minichbauer: das projekt ist grundsätzlich durch eine förderung aus dem programm equal finanziert. ist es längerfristig gesichert?
wolfgang zinggl: die finanzierung ist jetzt noch für zwei jahre gesichert, wobei das modell so angelegt ist, dass die equal-förderung immer geringer wird und ein immer größerer anteil selbst erwirtschaftet werden muss. alle hoffen, dass sich das projekt danach selbst trägt. ich weiß nicht, ob das möglich sein wird. wir werden sehen.

raimund minichbauer: wochenklausur arbeitet in den projekten normalerweise mit kunstinstitutionen zusammen. das war in dem fall nicht so. ist die wochenklausur hier erstmals von diesem prinzip abgewichen? wie sind die erfahrungen damit?
wolfgang zinggl: ja. das ist das erste mal. die wochenklausur braucht diese kunstinstitutionen auch, um sich im feld der kunst weiterhin zu etablieren und zu behaupten. sobald die wochenklausur etwa von einer sozialinstitution oder von einer großen firma eingeladen würde, wäre es relativ leicht für leute, die nicht ganz verstehen, was daran kunst sein sollte, diese intention in den sozialbereich oder in den bereich des supervisings/managements abzuschieben. daher haben wir gesagt: schon allein deshalb, weil uns immer kunstinstitution einladen, ist das kunst, weil kunstinstitutionen künstler/innen einladen und keine sozialarbeiter/innen oder produktmanager/innen. in wien haben wir jetzt eine ausnahme gemacht, aus der überlegung heraus, dass die wochenklausur in wien einfach insbesondere im feld der kunst schon so profiliert ist, dass wir diese kontinuität nicht mehr brauchen, was sich auch als richtig herausgestellt hat.

raimund minichbauer: hat das abgesehen von dieser frage auch auswirkungen auf die arbeitsteilung, dass dann z.b. das anton proksch institut grundsätzlich das projekt organisiert und die wochenklausur dann nur noch für den 'kunstpart' zuständig wäre?
wolfgang zinggl: diese arbeitsteilung hat es nicht gegeben. wir haben von der anmietung eines objekts, suche eines werkstättenleiters, umbau des lokals, beschaffung der materialien, mediale absicherung und insgesamt medien-/öffentlichkeitsarbeit etc. alles wie bei den anderen projekten auch gemacht. ich bin z.b. auch selbst auf der leiter gestanden und habe ausgemalt. wir haben das projekt dann übergeben, und danach lassen wir immer die institutionen, die es weiterhin betreuen, völlig autonom arbeiten. das hat manchmal positives und erfolg, und manchmal geht es zumindest partiell in eine falsche richtung. das muss man akzeptieren. das ist so wie bei eltern, die ihre kinder irgendwann einmal selbst entscheiden lassen, welchen weg sie gehen, und dann vielleicht nicht ganz zufrieden sind damit. und es ist in dem fall auch so, dass wir nicht so ganz begeistert sind damit, wie jetzt gearbeitet wird.

raimund minichbauer: das zweite projekt, die intervention zur animation gesitig behinderter[2] wurde im april/mai 2003 durchgeführt. zielgruppe sind vor allem ältere geistig behinderte menschen, deren fähigkeiten und begabungen wenig gefördert werden. das projekt zielt darauf ab, eine kommunikative, motivierende umgebung und beschäftigung zu schaffen, um diese defizite abzuschwächen. konkret erarbeitet hat wochenklausur ein jahresprogramm für die bewohner/innen des pflegezentrums in kainbach, 20km von graz entfernt. wie ist diese projektidee entstanden? war sie von beginn an mit diesem einen pflegezentrum verknüpft?
wolfgang zinggl: wir wurden eingeladen, ein projekt zu erarbeiten im zusammenhang mit der betreuung von behinderten. nach den ersten recherchen war zu erkennen, dass es für geistig behinderte weniger angebote gibt als für körperbehinderte, und dass es bei der betreuung von geistig behinderten so etwas wie eine altersgrenze gibt, bei 35-40 jahren. Danach strengen sich die Institutionen nicht mehr besonders an. wir hatten mit allen einschlägigen institutionen in Graz kontakt aufgenommen und gespräche geführt über die betreuung und darüber, wo die mängel und probleme liegen. wir hatten den eindruck, dass die angebote allgemein recht gut sind, aber eines war in allen institutionen gleich: mit 35, wenn es aus entwicklungspsychologischer sicht nicht mehr viele perspektiven gibt, werden die behinderten - um es drastisch zu sagen: abgeschoben nach kainbach. und zwar fast alle; nur in wenigen einzelfällen können leute z.b. in häusliche pflege entlassen werden. in kainbach leben etwa 650 insass/innen, zum größten teil ältere. es gibt schon ein gewisses angebot, werkstätten, sport etc., aber wenig im verhältnis zur größe des zentrums. sehr viele leute machen überhaupt nichts - sie gehen den gang auf und ab und warten aufs essen, dann aufs fernsehen, um 19 uhr ist bettruhe, um sechs uhr früh stehen sie auf, warten aufs frühstück, aufs mittagessen, abendessen, dann eine stunde fernsehen.. und das jeden tag. bei so einem rhythmus werden menschen extrem hospitalisiert. ich glaube wer ohne geistige behinderung dort wohnen müsste, wäre nach einem jahr geistig behindert. diese verhältnisse sind keine ausnahmeerscheinung. wenn man sich die historische entwicklung der betreung von geistig behinderten ansieht, dann ist natürlich alles viel besser geworden. immerhin haben es die insass/innen warm, es ist alles sauber, sie haben zu essen, und sie werden nicht geschlagen - das muss man schon einmal so sehen. es gibt eine gewisse entwicklung, die bleibt meiner meinung nach aber immer noch sehr hinter den möglichkeiten zurück. das hat natürlich mit den finanzen zu tun, und mit personen, die sich darum kümmern. - kurz und gut: wir haben da angesetzt und versucht, etwas zu entwickeln.

raimund minichbauer: ich habe auf der wochenklausur-website zum projekt unter anderem diese stelle gefunden: "die klienten haben schwierigkeiten und dürfen sie haben. sie sollen sich zeit lassen und lediglich mit ihren stärken arbeiten. sie müssen weder geformt noch konditioniert werden."[3] habt ihr diese grundhaltungen gemeinsam mit den mitarbeiter/innen der institution erarbeitet?
wolfgang zinggl: nein. einige institutionen verfolgen den pädagogischen ansatz, dass die behinderten vor allem in jüngeren jahren etwas dazulernen müssen, in der hoffnung, sich damit einmal geld zu verdienen oder reintegriert zu werden. der satz, den du zitiert hast, ist von mir, und ich wollte damit sagen, dass ich glaube, man sollte es lassen, menschen die nicht so ticken, wie sich das eine gesellschaft wünscht, unter allen bedingungen zu "resozialisieren". diese leute sollen es verdammt nochmal gut haben. punkt. es steht ihnen zu, ein leben lang in einer gut organisierten und funktionierenden pension zu verbringen.

raimund minichbauer: ihr habt in zusammenarbeit mit verschiedenen vereinen, firmen, privatpersonen in der umgebung für ein jahr ein programm[4] erarbeitet, in jeder woche ein programmpunkt. das jahr ist jetzt im mai abgelaufen, gibt es schon feedback?
wolfgang zinggl: das treffen, um sich damit und vor allem mit der frage zu beschäftigen, wie das programm weitergeführt werden kann, wurde von der leitung in kainbach verschoben, weil es gerade terminprobleme gibt. ich habe also noch keine gesamtinformation, aber ich weiß, dass einige institutionen, die einen programmpunkt organisiert haben, gleich am selben tag angeboten haben, das im nächsten jahr wieder zu machen. also es gibt auf jeden fall von seiten einiger anbieter die möglichkeit, das längerfristig zu installieren. das problem ist, wer die organisation übernehmen wird. das personal in kainbach ist stark ausgelastet.

raimund minichbauer: ich möchte noch auf ein paar allgemeine fragen zur arbeit der wochenklausur eingehen: ein diskussionspunkt im zusammenhang mit der arbeit von wochenklausur ist das verhältnis von reformerischen und fundamentalkritischen ansätzen. als die wochenklausur 92/93 begonnen hat, war der kapitalismus gerade ohne kritik- oder gegenbewegungen. jetzt ist das mit der 'anti-globlaisierungsbewegung' doch anders geworden. stellt sich die frage, wie reformerische und fundamentalkritische ansätze vereinbart/koordiniert werden könnten, jetzt anders, gibt es dafür bessere voraussetzungen?
wolfgang zinggl: ich bin der meinung, die ansätze schließen einander nicht aus. fundamentalkritik hat es auch 93 gegeben. ich war nie ein freund des kapitalismus, die frage ist nur: mit welchen methoden kriegt man was wie hin? und da hat sich in meiner vorstellung kaum etwas verändert. ich glaube nicht, dass man - wie das auch in den 70ern, und auch allgemein in der kunst als überlegung verbreitet war - mit fundamentalkritik wirklich etwas ändert. fundamentalkritik kann und soll und muss man äußern, aber sie verändert relativ wenig. daher denke ich, dass parallel zur kritik auch die grenzen ausgelotet werden müssen, wie weit ich selbst in der lage bin, im kleinen etwas zu verbessern. dabei ist interessant, dass ich z.b. als 16jährige/r wesentlich weniger möglichkeiten habe als später mit entsprechender erfahrung, etwas mehr geld und etwas mehr akzeptanz in der öffentlichkeit. ich hatte also weniger möglichkeiten, und trotzdem gibt es möglichkeiten. d.h. ich muss die möglichkeiten, die ich habe nur nutzen, und muss so weit gehen, als ich eben gerade kann. dann ist die differenz zwischen dem, was ich potenziell kann, und dem, was ich wirklich mache, konstant. ein beispiel: eine 16jährige mittelschülerin, die lediglich in der lage ist, im rahmen ihres klassenverbandes ganz bestimmte praktiken ihres klassenvorstandes, z.b. machistische, zu verändern oder zumindest partiell zu verändern, leistet von der differenz her aufgrund ihrer relativ geringen möglichkeiten genauso viel wie ein amerikanischer präsident oder deutscher bundeskanzler, der sehr viele möglichkeiten hat, aber diese vielleicht nicht so ausschöpft, und daher auf einer differenzwerteskala unter diesem leistungsniveau bleibt. d.h., um auf die frage nochmal zurückzukommen: die reformen machen wir alle gemeinsam, und ich bin sehr skeptisch, reformen nicht zu machen mit dem argument: das gehört vorher grundsätzlich gelöst. das wäre ein warten auf den sankt nimmerleinstag.

raimund minichbauer: wie ist es der wochenklausur in den jetzt doch über zehn jahren immer wieder gelungen, nicht in einzelnen problemfelder hängen zu bleiben, und z.b. zu sagen: das drogenproblem find ich wirklich wichtig, und jetzt machen wir nur noch das. haben sich solche fragen gestellt?
wolfgang zinggl: ja klar. das ist fast eine art grundsatz der wochenklausur, dass wir ein und dasselbe problem - es wäre übertrieben zu sagen: generell - nicht mehr angreifen wollen. das wechseln des ortes, der aufgaben usw. bringt jedes mal einen neuen horizont, macht jedes mal neu spaß, ist jedes mal eine neue herausforderung. das sind die wichtigen rahmenbedingungen, die etwas wie flexibilität und kreativität im zusammenhang mit dem spaß, der auch dabei ist, erst anregen. wenn ich ewig das gleich mache und immer schon weiß, wie das geht, und da und dort vielleicht eine kleine innovation stattfindet, dann mag das ja auch sehr sinnvoll sein, aber es entspricht nicht dem, was so landläufig unter flexibilität und künstlerischem verschieben des horizonts verstanden wird. und das ist ja für mich eine - nicht kunsthistorisch festzumachende, sondern eher psychologische - unterscheidung zwischen jemandem, der im künstlerischen feld arbeitet, und jemandem, der in einen herkömmlichen betrieb eingebunden ist. dass z.b. selbst bestimmt ist, wann die arbeit beginnt, was zu tun ist und wie mit dem geld gewirtschaftet werden soll.
der ansatz besteht darin, die gleichen sozialpsychologischen grundbedingungen, wie sie künstler/innen immer hatten, zu schaffen, in der hoffnung, dass diese flexibilität und kreativität und dieser innovationsgeist auch bleiben, um es für etwas einzusetzen, das bis jetzt als nicht unbedingt tauglich für die kunst angesehen wurde.

raimund minichbauer: die projekte sind darauf angelegt, sehr schnell bestimmte ergebnisse zu erreichen. wie funktioniert das, gleichzeitig schnell ergebnisse zu erreichen, aber nicht die falschen wege abkürzt. es ist z.b. wahrscheinlich einfacher, einen bürgermeister unter druck zu setzen, dass er etwas macht, als einen basisdemokratischen 'umweg' zu suchen. gibt es da sozusagen 'grundprinzipien', damit das nicht passiert?
wolfgang zinggl: was wir oft diskutieren in der gruppe, insbesondere schon bei der aufgabenstellung neuer projekte, ist ein ansatz - gabarage wäre da ein negatives beispiel -, zwei fliegen auf einen streich zu erledigen. im fall von gabarage sind das upcycling und hilfe für ehemals drogenabhängige. ich versuche bei solchen ideen immer einzubringen, dass es besser ist, sich auf eine sache zu konzentrieren und nicht zwei oder drei probleme gleichzeitig zu übernehmen. das ist eine antwort auf die frage, die du jetzt gestellt hast. wenn ich gleichzeitig an der reform der basisdemokratie arbeiten möchte und ein ja des bürgermeisters für ein konkretes projekt haben möchte, verbinde ich zwei anliegen miteinander. das zu erreichen ist allemal schwer. daher muss man zuerst wissen, was man möchte, und darauf hinarbeiten, und dann, wenn man es erledigt hat, kann man das andere problem in angriff nehmen. wenn ich sage: ok, wir wollen, weil wir dieses projekt zum abschluss bringen wollen, ein ja des bürgermeisters. dann verzichte ich auf das zweite anliegen, auf das basisdemokratische. natürlich muss ich erstens im rahmen der gesetze bleiben, und zweitens im rahmen des ethischen und darf grenzen nicht überschreiten. ein anderes beispiel - ich kann nicht kapitalistische firmen in ihrer verbreitung stoppen, und daher deren produkte nicht mehr kaufen, und gleichzeitig mich so halbwegs wohlfühlen und die kraft haben, die ich brauche, um verbesserungen zu erreichen. wenn ich z.b. auf alle produkte verzichte und keine produkte mehr kaufe, die aus betrieben kommen, deren produktions- und kapitalanhäufung ich ablehne, dann fühle ich mich einfach nicht mehr wohl und habe auch keine kraft mehr, irgend etwas anderes zu machen. ich kann also nicht ständig auf alles, was zu verbessern ist, rücksicht nehmen, sonst kriege ich nichts mehr hin.

raimund minichbauer: im nachhinein betrachtet hätte man aus gabarage eigentlich zwei projekte machen sollen?
wolfgang zinggl: nein, das ist in diesem fall etwas anders. die grundüberlegung war, etwas für leute zu entwickeln, die aus der drogentherapie kommen. - wie kann man sie einer sinnvollen beschäftigung zuführen, ohne dass sie sofort frustriert sind? sie werden normalerweise an betriebe weitergeleitet, in denen sie dämliche arbeit machen und nichts bezahlt bekommen und ausgenutzt werden, bis sie die schnauze voll haben und sich sagen, das leben hat doch keinen sinn, und sie wieder zur droge greifen. wenn sie aber sehen, dass es auch unabhängig von der droge ein leben gibt, das lebenswert ist, dann könnte das projekt funktionieren. die richtung, in der wir nach ansätzen gesucht haben, war naheliegend: was kann spaß machen? etwas kreatives, wo ich etwas produzieren und dann verkaufen kann. wo brauche ich kein geld und kann trotzdem etwas tun, das mir spaß macht? da hat es sich fast automatisch ergeben, dass wir wieder auf die idee des upcyclings gekommen sind. aber es wäre drastisch gewesen, wenn man davon ausgegangen wäre: wir haben das eine problem mit den ehemaligen drogenabhängigen und wir haben das andere problem mit materialien, die entsorgt werden, obwohl sie eigentlich noch tauglich wären. welches projekt könnte ich machen, um die beiden fragen zusammenzuführen? das wäre sehr gefährlich, da läge die latte zu hoch. wie in dem beispiel mit bürgermeister und basisdemokratie. da muss ich wirklich ein problem bewusst zurückstecken - und vielleicht auch meine ohrfeigen dafür bekommen, das ist egal. aber dafür habe ich etwas anderes hingekriegt.

raimund minichbauer: was sind die nächsten projekte der wochenklausur?
wolfgang zinggl: es gab in der zwischenzeit noch ein projekt, in helsingborg[5]. das nächste findet in liverpool statt im juli/august, wo wir mit tenants - bewohner/innen von hochhaussiedlungen - gemeinsam ein fernsehprogramm einrichten und gestalten. fünf skyscrapers, die in den 60er jahren im zuge des sozialen wohnbaus errichtet wurden, leiden darunter, dass ihre bewohner/innen dort alt geworden sind. die kinder sind weggezogen, und die damals jung zugezogenen sind jetzt pensionist/innen. genau genommen ist das ein riesiges pensionist/innenheim, aber ohne die infrastruktur und betreuung eines pensionist/innenheims. wir wurden eingeladen, etwas kreatives zu entwickeln und zu installieren. wir werden gemeinsam mit den bewohner/innen jede woche zwei bis drei stunden hauseigenes fernsehen gestalten. wir werden einen eigenen kanal einrichten - wir haben rausgefunden, dass es beim eingang aller hochhäuser kameras gibt, um zu kontrollieren, wer kommt. die idee war, wenn wir diese fünf zusammenschließen, haben wir eigentlich einen fernsehkanal. den werden wir einrichten, und dann werden wir mit den bewohner/innen gemeinsam woche für woche programm machen. aber nachdem wir nur sechs wochen dort sind, werden wir dieses programm im vorfeld - ähnlich wie in kainbach - programmieren für das ganze jahr, und uns dann verabschieden.
raimund minichbauer: vielen dank für das gespräch.

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