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03 2005

Feministische Netzwerke analog/digital und deren Alltagspraxen und -tauglichkeiten

Christina Nemec

Go for ..... LADYFEST!!

Seit zwei Jahren finden Veranstaltungen unter dem Slogan "Ladyfest" auch im deutschsprachigen Raum statt. Zehn Jahre nach den Anfängen der RiotGrrrlBewegung finden es Aktivistinnen an der Zeit, der Reduktion feministischer Inhalte auf konsumkompatible Slogans etwas entgegen zu halten. Das erste Ladyfest geht in Olympia, Washington über die Bühne und kickt die Frauen derart, dass es als Idee den Weg über die USA, Asien auch nach Europa schafft. Die Hamburgerinnen eröffneten mit einem groß aufgemachten Ladyfest und machten an vier Tagen die Stadt unsicher. Wien, Berlin, Leipzig uvm. folgten. Wer die einschlägigen Manifeste studiert, stößt immer wieder auf sich einander ähnelnde Forderungen. So wirbt das Ladyfest Dresden (Juli 2005) mit dem Slogan: Let's be s_heroes. Don't fall in love with the star, be the star! Ähnlich aus dem Hamburger Programm: "Don't fall in love with the guitarist, be the guitarist!" Einig ist frau sich darüber, dass Feminismus jenseits von Zwangsheterosexualität und Zweigeschlechtlichkeit neu definiert werden soll. Als Logo und Marke bietet sich  "Ladyfest" an, unter diesem Titel Feste und Parties zu veranstalten, diesen jedoch lokalspezifische Strukturen, Besonderheiten und Forderungen zuzuweisen. D.h. die Umsetzung des jeweiligen Ladyfests wird von Organisationsgruppen und Akteurinnen in den diversen Städten nach den jeweiligen politischen und feministischen Ansätzen realisiert.

 

"Hier bilden wir neue Szenen und Freundschaften"

Ein wichtiger Begriff in diesem meist drei bis fünf Tage dauernden Zirkus aus Selbstermächtigung, Spaß und feministischer Bewußtseinsbildung bzw. Reflexion darüber, was weiblich, männlich und transgender sein kann und soll lautet Vernetzung, der sich, so kritische Stimmen zu sehr an neoliberales Handeln anbiedert und sich mühelos mit Konzernen wie Siemens assoziieren läßt. In der Management-Literatur meint man mit der Vernetzung den Aufbau und die Pflege zu anderen Personen, die helfen sollen den eigenen sozialen Status zu halten oder zu verbessern. D.h. eine gut "vernetzte" Person hat ein tragfähiges Geflecht von guten Beziehungen zu Personen in verschiedenen Organisationen, die ihr helfen, rasch und frühzeitig an wichtige Informationen zu kommen. Was bedeutet in der Praxis die Forderung nach der Bildung neuer Szenen und Freundschaften? Und wie läßt sich mit "Freundschaften" oder "FreundInnenschaften" als politische Strategie arbeiten. Steckt in dem Wort nicht auch eine relativierende Aussage? Und wenn ja, wäre dann der Bund oder das Bündnis die Alternative, die meiner Ansicht nach, lahm und reaktionär klingt. Und was ist die Szene, die neu gebildet werden soll? Szenen entstehen oft aus einem ähnlich gelagerten Interesse an z.b. bestimmten musikalischen Artikulationsformen. D.h. es geht weniger um die "neue Szene" als um das persönliche Kennenlernen, um dieser Szene ein Gesicht zu geben. Und mit diesem Gesicht, und mit der Euphorie (viele würden das Gefühl auch Kick nennen) die sich unter den Beteiligten meist aus solchen Zusammentreffen in einer relativ selbstdefinierten Atmosphäre ergibt, läßt es sich zukünftig gut im email-Kontakt bleiben und sich gegenseitig einzuladen. "Ähnlich wie es im Journalismus auf den Herrentoiletten zugeht", wie es eine Genossin spaßhalber formuliert. Oder in den Backstageräumen der Musikfestivals spät nachts.

 

"Strategien gegen strukturelle patriarchale Herrschafts- und Machtverhältnisse"

Wenn es den Anspruch gibt hierarchiefreie Räume zu schaffen, in denen sich Künstlerinnen und Aktivistinnen präsentieren können, dann sei darauf hingewiesen, dass Bühnen m.E. niemals hierarchiefrei bespielt werden. Nicht im performativen Sinn und auch nicht in ihrer Bedeutung als Ort verknappter Ressourcen, die aufgeteilt werden wollen - ich spreche von Musikbühnen. Dazu zählen die Anzahl der Acts und deren Auswahl, die Zeit, die den jeweiligen zur Verfügung gestellt wird, die technisch logistische Umsetzung bei zB einem Musikkonzert (Anlage, Technikerin, Soundcheck) Schon bei der Auswahl der Musikerinnen ergeben sich Diskussionen darüber, wer überhaupt eingeladen werden soll und wer wieviel Geld bekommt. Wer darf also mit dem Flugzeug kommen, wer soll mit dem klapprigen Bus anfahren. Wer bekommt eine fixe Gage, weil medial gut vermittelte Quoten- und Publikumsbringerin und welche soll froh sein, überhaupt spielen zu "dürfen" und somit "Part of the Ladyfest" wird. Angemerkt sein noch, dass es beim Ladyfest nicht nur um das Präsentieren von Musikkonzerten und DJ-Lines geht, sondern weiters Workshops, Performances, Lesungen, Diskussionen, Ausstellungen und Filmreihen rund um queere Themen und Vermittlung technischer Skills (Mixen, Tontechnik, Radio etc.) organisiert werden.

 

Das Kaffeekränzchen als Unort

Eine der ersten sogenannten Vernetzungsveranstaltungen, der ich beiwohnen durfte war das Symposium "Musikerinnen und Öffentlichkeit", das im November 2001 im Hamburger fm:z (Frauenmusikzentrum) stattfand. Eingeladen waren u.a. Tine Plesch (die leider letztes Jahr verstorben ist), Electric Indigo, DJ T-Ina, Luka Skywalker uvm. Die taz-Autorin Jenny Zylka schien sich davon eher nicht so angesprochen - sie beschrieb in der taz ein Kaffeekränzchen, das immer wieder die selben Themen und Frustmomente verhandelte anstatt einfach zu machen – das Modell der besten  aller möglichen Welten. Wenn hier von Vernetzung a la "If the grrrls are united ... popular culture under female pressure" gesprochen wird dann wird auch nicht außer acht gelassen, dass es sehr wohl um Konkurrenz, um Anerkennung und um ein Stück vom Kuchen geht. Solidarität funktioniert oft nur so lange, so lange keine Benefits zu erwarten sind. Der Split eines z. B. DJ-Kollektivs erfolgt schneller als frau denkt. DJ und Produzentin Electric Indigo, DJ T-Ina (Femmes with fatal breaks) und Luka Skywalker stellten ihre Projekte vor und erzählten aus ihrer jahrelangen Praxis. Electric Indigo beschrieb ihre Motivation, eine Datenbank (www.femalepressure.net) zu realisieren, die sämtliche DJs, Produzentinnen und Visual Artists weltweit sammelt, nach bestimmten Stylekategorien sortiert und Kontaktadressen zur Verfügung stellt. So schnell kann kein(e) Veranstalter(in) mehr sagen, es gäbe keine weiblichen DJs! Die dazugehörige Mailingliste hat schon so mancher zu Auftritten verholfen bzw. wertvolle Tipps zum Arbeiten mit diversen Musikprogrammen und Playern geboten, aber auch von Diskriminierungen wird immer wieder berichtet. Luka Skywalker berichtete über das Scheitern eines DJ-Kollektivs - die von ihr mitbegründeten Top Ten DJs lösten sich vor ca. eineinhalb Jahren auf. Das Konzept leuchtet ein: Drei Frauen trafen sich und gründeten ein Soundsystem: "Sie mussten etwas suchen, um sechs weitere DJ`S zu finden, aber mit Geduld und Spucke waren sich dann die Neune einig. Der zehnte Platz wurde für Gäste aus anderen Städten und etwaige Zusammenarbeiten vorbehalten." Was anfangs gut klappte und die Häuser rockte, bröselte mit zunehmender Akzeptanz einiger Protagonistinnen und mangelnder Solidarität mit den anderen ab. Dazu fand Dagmar Brunow, Pressesprecherin von Espressiva, die passenden Worte: "First give, then take!" Ein Motto, das vielversprechend klingt. Wer in/von ein/em Projekt (ob DJ-Kollektiv oder alternatives Medium) "investiert"/"profitiert" (Zeit, Energie/symbolisches Kapital), sollte doch die Zusammenhänge im Auge behalten, die die Voraussetzung für manche Karrieren bildeten.

LADYFESTe, Datenbanken, Mailinglisten, Frauenbandenfeste und div. andere oft nichtkommerziell arbeitende Veranstalterinnen bieten Musikerinnen, Theoretikerinnen, Künstlerinnen Raum, ihre Arbeiten zu zeigen - bzw. Bühne zu probieren. Der Umgang mit Technik (Sound) und Equipment gehört für junge Frauen nach wie vor nicht zur Selbstverständlichkeit, darum sind Festivals bzw. Veranstaltungen, die diese Erfahrungen bieten, hilfreich und wichtig im Bestreben, eigenständige Kunstformen zu entwickeln. Sonst seh ich mich schon sitzend in einer Podiumsdiskussion 2015: "Warum gibt es nach wie vor so wenige Musikerinnen und weibliche Djs?"

http://www.ladyfest.org/