Als
ich den Abstract für die Konferenz Strategies of (In)visibility
las, reagierte ich zunächst mit einem gewissen
Unbehagen. Ich möchte versuchen, die Gründe dafür zu
erläutern. Es hatte nichts mit den Inhalten oder mit
dem Stil des Abstracts selbst zu tun, aber mit einer Art
Echo, einem irrationalen Déjà-Vu aus der
Vergangenheit. Ich konnte einen Reflex der Zurückweisung
des Haupttitels der Veranstaltung kaum unterdrücken.
Dieses anfängliche Unbehagen brachte mich dazu, die Zurückhaltung
gegenüber der Diskussion von politischen Fragen und der
politischen Implikationen von künstlerischen Praktiken
zu reflektieren. Es wurde mir klar, dass die Zurück-
oder Abweisung in erster Linie auf mein Heranwachsen in
einem kommunistischen Land zurückging.
Mit
diesem Essay möchte ich zeigen, dass die Abscheu, politische
Fragen im Kontext von post-sozialistischen Ländern
mit einem Ein-Parteien System zu diskutieren, einen
Beitrag zur Debatte über (Un)Sichtbarkeit leistet. Der
Grund, warum ich diese viszerale Zurückweisung, welche
das Abjekte streift, für bedeutsam halte, besteht nicht
nur einfach darin, dass ich in einem solchen System
geboren und ausgebildet wurde. Es hat auch damit zu
tun, dass die KünstlerInnen, deren Arbeit ich später
diskutieren werde, ihre Produktion unter ähnlichen Umständen
begonnen haben. Genauer gesagt wird mein Beitrag von
jener Kunst handeln, die in einer Übergangsperiode hergestellt
wurde, nämlich in der Zeit des Wandels von sozialistischen
zu post-sozialistischen Gesellschaften in den Ländern
von Ex-Jugoslawien. Ich werde versuchen, ein wenig Licht
auf diese Periode zu werfen, indem ich zuerst nicht
eine Unterscheidung zwischen Kunst, Aktivismus und
den protagonistischen Strategien der (Un)Sichtbarkeit
treffe, sondern die zwischen einer Kunst, die über
das Politische handelt und einer Kunst, die in den Bereich
des Politischen eintritt und darin funktioniert. Selbst
aktivistische Projekte können in Wirklichkeit an Diskussionen
über das Politische teilhaben, ohne das Politische zu
transformieren und umgekehrt können Kunstprojekte Eingang
in die politische Sphäre Eingang finden und diese transformieren.
Das
Politische sichtbar machen
Statt die Arbeit
von KünstlerInnen zu diskutieren, welche die Anonymität
aus Furcht vor dem Erfolg ihrer Aktivitäten wählen,
da sie z. B. das Unsichtbare sichtbar machen, wie es
Titel und Abstract des Symposiums nahe legen, habe
ich mich dafür entschieden, das Problem des Sichtbar-Machens
des Politischen als solchen zu behandeln. Das ist etwas,
was die Kunst, die sich mit politischen Fragen beschäftigt,
die Kunst, die aus dem Inneren des Politischen heraus
agiert und der Aktivismus als gemeinsamen Ausgangspunkt
haben. Aus dieser Perspektive erscheint die Differenzierung
zwischen reiner und engagierter Kunst weniger relevant.
Dabei beziehe ich mich auf die aktuellen Diskussionen
über die Politik des Ästhetischen im Kontext der Schriften
von Jacques
Ranciere.
Um das Phänomen des Rückzugs vom Politischen zu klären,
das ich erfahren habe, möchte ich aufdecken, woher diese
Abscheu vor dem Politischen kommt. Dafür ist es erforderlich,
in die 1980er Jahre zurückzugehen und sich auf die heute
nicht mehr existente kulturelle und politische Geographie
von Ex-Jugoslawien zu beziehen.
Zunächst
möchte ich erwähnen, dass der ursprüngliche theoretische
Kontext des Begriffes des Abjekten von Julia Kristeva
in ihrem Buch The Powers of Horror definiert
wurde. Sie schreibt: "Discomfort,
unease, dizziness, stemming from an ambiguity that through
the violence of a revolt against, demarcates a space
out of which signs and objects arise."
Die Effekte des Abjekten können für Kristeva jedoch
nur zur Konstitution der eigenen Kultur führen: "The
abject is the border, not me, not that not nothing either.
A something that cannot be recognised as thing, a weight
of meaningless, on the edge of non-existence and hallucination,
of reality that if I acknowledge it annihilates me.
There, abject and abjection are my safeguards; the primers
of my culture."
Das politisch Abjekte in den ex-kommunistischen Ländern
war definitiv der Leitfaden für die eigene Kultur, für
das eigene Gefühl des Unbehagens an der politischen
Kultur. Es handelte sich um die einzige Alternative,
sodass beides nicht vermischt werden durfte. Im Falle
der Vermischung von Politik und Kultur hätte dies nur
zum Ekel geführt, so wie bei der Verletzung der Tabus
gegenüber der Mischung von Nahrung, über die Kristeva
schreibt.
Ich
bin nicht sicher, ob Kristeva der Idee der Herauslösung
des Abjekten aus seinem ursprünglichen Kontext und der
Anwendung dieses Konzepts auf einen politischen Kontext
zustimmen würde. Die Tatsache, dass sie niemals ein
Buch schrieb, das ausdrücklich von ihrer bulgarischen
Vergangenheit handelt, bringt einen auf den Gedanken,
dass dies möglicherweise ein Ergebnis einer ähnlichen
Zurückweisung der Erfahrung des Politischen in ihrer
Jugend an der Grenze zum Abjekten war. (Sie thematisierte
das Politische jedoch in Strangers to Ourselves
und als sie über die politische Denkerin Hannah
Arendt schrieb).
Dies ist eine der
möglichen Antworten auf die Frage, warum KünstlerInnen
im Osten noch immer nicht die Möglichkeiten aufgegriffen
haben, die durch aktivistische künstlerische Praktiken
eröffnet werden. In den späten 80er und frühen 90er
Jahren gab es kaum Kunst in Osteuropa, welche sich nicht
mit den politischen Fragen der Auflösung der kommunistischen
Länder befasst hätte. In dieser Zeit wurde das Politische
sichtbar (im Gegensatz zu den klandestinen künstlerischen
Praktiken aus den früheren Perioden, als selbst abstrakter
Kunst eine bestimmte politische Bedeutung zukam). Dieses
Wiederauftauchen des Interesses am Politischen bedeutet
jedoch nicht, dass man sagen könnte, dass diese KünstlerInnen
AktivistInnen wären. Obwohl es nun einige KünstlerInnen
und künstlerische Gruppen gibt, die gerade begonnen
haben, sich der Agitation und dem Aktivismus zuzuwenden,
ist die Zahl aktivistischer Gruppen doch insgesamt ungleich
größer (während der Wahlen in Mazedonien im Jahre 2003
gab es 160 NGOs, die sich alle einer Assoziation anschlossen,
welche die Koalition von zwei Parteien unterstützte,
die Wahlen gewann und bis heute das Land regiert).
Positionierungen
In den 1980er Jahren
gab es in Ex-Jugoslawien für Intellektuelle, KünstlerInnen,
SchriftstellerInnen und andere Professionelle, die vom
kommunistischen Parteiprogramm nicht überzeugt waren,
kaum Wahlmöglichkeiten hinsichtlich politischer Positionen.
Es konnten jedoch drei Hauptoptionen unterschieden werden.
Alle waren notwendigerweise inoffiziell, illegal oder
oppositionell. Es war möglich, sich vollkommen von
der einzigen offiziellen politischen Partei zu distanzieren
und sich heimlich des Status der Nicht-Zugehörigkeit
zu rühmen (es sei denn, der Zufall ließ die Mitgliedskarte
aus der eigenen Brieftasche fallen). Obwohl in den
80er Jahren (speziell 1981, nach dem Tod von Tito, Jugoslawiens
Führungsfigur) einige der SchriftstellerInnen, die Mitglieder
der kommunistischen Partei waren, journalistische Kommentare
mit Titeln verfassten wie "Wer nicht für uns ist,
ist gegen uns", war es möglich und sogar populär,
intellektuell aktiv, und dennoch nicht Mitglied zu sein.
Darüber hinaus wurden Parteimitglieder in den jenseits
der Partei angesiedelten intellektuellen Gemeinschaften
verachtet und gezwungen, unter sich zu bleiben und untereinander
zu verkehren. Die zweite Möglichkeit war die Domäne
der Mutigsten. Man konnte nationalistischen Bewegungen
angehören, zunächst heimlich, aber sehr bald öffentlich.
Die Nationalisten waren bereits in den 80er Jahren
öffentlich sicht- und hörbar, aber ihre Aktivitäten
waren nicht legalisiert. Sehr bald, in den späten 90er
Jahren, führten die verschiedenen nationalistischen
Oppositionen in den verschiedenen Republiken die Aufteilung
von Jugoslawien herbei und lösten ethnische Konflikte
aus, die in höchst grausame lokale Kriege mündeten.
Diese beiden Positionen waren jedoch nicht voneinander
isoliert. Es war möglich, Mitglied der kommunistischen
Partei und dennoch Nationalist zu sein, oder sich mit
einer apolitischen Vergangenheit zu brüsten und dennoch
heimlich der Partei anzugehören. Letzteres war die
ambivalenteste der möglichen Positionen - Mitgliedschaft
in der kommunistischen Partei, aber in der Öffentlichkeit
nicht aktiv, dazu zu gehören, ohne dabei zu sein. Sich
des einfachen Zugangs zur Macht zu bedienen (garantiert
waren nicht nur kleine Privilegien, sondern die Mitgliedschaft
war auch für jede Position in der Universität oder im
Management erforderlich) und sie dennoch zu kritisieren
war eine Art von simulierter Opposition und wurde als
schlimmste Form von Heuchelei betrachtet. Obwohl sie
aus heutiger Perspektive als eine Pseudo-Opposition
erscheint, war sie weder unschuldig noch sicher. Wurde
ein heimliches Mitglied aufgedeckt, gab es keine Rückkehr
in den eigenen intellektuellen Kontext und die Ambivalenz
wurde von beiden getäuschten Seiten geahndet.
Diese populäre Position
war vielleicht die komfortabelste, aber sie konnte nicht
von langer Dauer sein. Ich möchte behaupten, dass diese
Verschränkung verschiedener politischer Positionen sich
noch heute in allen Ländern findet, die sich nach der
Auflösung von Jugoslawien herausbildeten, eine Verschränkung,
die Probleme für das Engagement in der Sphäre der Politik
mit sich bringt. Die Parteien veränderten ihren Namen
und tauschten ihre Führer aus, Mitglieder wechselten
von einer Partei zu einer anderen und tun dies auch
heute noch. Die Nicht-Regierungsorganisationen sind
stark in diese chaotische Möchtegern-Demokratie involviert.
Vieles veränderte sich nach den kriegerischen Konflikten
und das Bedürfnis, die eigene Einstellung zum Politischen
in Frage zu stellen und eine neue Position zu beziehen,
bildete sich unvermeidlich nach den Konflikten heraus.
Die politische Ambivalenz der Vergangenheit vermischte
sich mit dem politischen Erwachen in der Gegenwart und
mündete in eine sehr spezifische politische Szene.
Veränderung der
Sprachen
Heute ist es nicht
nur im Osten nahezu unmöglich geworden, das Rechte und
das Linke, das Demokratische und das Konservative,
das Nationalistische und das Fundamentalistische zu
unterscheiden. Diese Verschränkung von politischen Positionen
reflektiert sich auch unmittelbar in der Kunstszene.
Wie können wir von KünstlerInnen und AktivistInnen,
die sich mit politischen Themen befassen, erwarten,
konsequent in der Behandlung von etwas zu sein, das
selbst nicht konsequent ist? Wenn die politische Arena
ihre Sprache verändert, werden KünstlerInnen unvermeidlich
darauf reagieren, umso mehr, wenn sie in einem politischen
Rahmen funktionieren. Sie haben ihre Sprache zu ändern,
was nicht notwendigerweise heißt, dass sie mimetisch
agieren müssen. Das Beispiel der slowenischen Künstlergruppe
IRWIN, ein Teil der NSK Bewegung, die sich 1983 herausbildete
und sich später in NSK Staat umbenannte, ist das beste
Beispiel für ein solches Bedürfnis, die Sprache der
Kunst und ihr Verhältnis zur Realität zu verändern.
In diesem Kontext
möchte ich den Fall des bekanntesten Intellektuellen
von Ex-Jugoslawien aufgreifen, Slavoj Zizek, ein slowenischer
Philosoph, der in der frühen Phase seiner Karriere einen
ähnlichen politischen Kontext durchlief (und dessen
Name mit den Aktivitäten von NSK und Laibach
verbunden ist, dem Musikgruppenflügel von NSK). 1976
veröffentlichte er sein Buch Sign,
Signifier, Letter sowohl in Slowenisch als auch
in Kroatisch. Mit diesem Buch brachte er die erste seriöse
Rezeption der Psychoanalyse in Jugoslawien in Gang.
Auf der Grundlage dieses Buches war es jedoch unmöglich,
die politische Anwendung der Psychoanalyse in den späteren
Texten von Zizek vorherzusagen. Das Buch umfasst eine
sehr komplexe Lektüre von Lacan. Es verbindet die Psychoanalyse
und die Borromäischen Knoten bzw. Verflechtungen zwischen
den Ordnungen des Realen, des Imaginären und des Symbolischen
mit zeitgenössischen philosophischen Interpretationen
von Hegel und Kant. Es fehlen jedoch jegliche Referenzen
auf konkrete Ereignisse und Personen aus dem Alltagsleben
in Jugoslawien und auch die psychoanalytischen Spiele
mit politischen oder sozialen Themen. Es zeichnet sich
auch noch nicht jener Schreibstil ab, der Zizek später
in das Blickfeld der internationalen intellektuellen
Szene rückte.
In einigen Texten
könnte man das psychoanalytische Konzept des Gesetzes
des Vaters auch als Referenz auf die politische Figur
von Tito lesen. Dies wurde jedoch bewusst im Untergrund
dieser Texte gehalten. Erst in den späten 80er und frühen
90er Jahren begann Zizek mit der Arbeit an seinen berühmten
Essays über den Film. Dann nahm er seinen kulturellen
Kreuzzug auf und konzentrierte sich stattdessen auf
einen vollständig philosophischen Diskurs. Interessanterweise
wurde er zur gleichen Zeit, 1990, zum offiziellen Präsidentschaftskandidaten
der Liberal Demokratischen
Partei für die Republik von Slowenien. Der berühmte
Essay Why
are Laibach and NSK
not Fascists?,
den Zizek 1993 über die slowenische Musikgruppe Laibach
und das Phänomen des Künstlerkollektivs NSK verfasste,
war der erste Text, der versuchte, das Phänomen NSK
zu erklären, das 1984 seinen Anfang nahm, als drei Gruppen,
die sich 1983 herausgebildet hatten (die Musikband Laibach,
das fünfköpfige Künstlerkollektiv IRWIN und das Theater
Gledalizce
Sestre Scipion Nasice), unter dem gleichen Namen NSK (Neue Slowenische Kunst) zusammenkamen.
Was
eine Gemeinschaft am tiefsten verbindet ist nicht so
sehr die Identifikation mit einem Gesetz, welches ihren
normalen Alltag reguliert, sondern eher die Identifikation
mit einer spezifischen Form der Überschreitung, der
Suspendierung des Gesetzes (im psychoanalytischen Sinn,
verbunden mit einer bestimmten Form von Freude). Er
führt als Beispiel die heimliche Freude von Mitgliedern
des Ku Klux Klan am Quälen ihrer schwarzen Opfer an.
Ich denke, dass eine ähnliche Freude in Ex-Jugoslawien
unter solchen Intellektuellen und KünstlerInnen vorzufinden
war, die es nicht akzeptierten, in das politische Leben
des Landes involviert zu werden, was eine schuldbeladene
Solidarität herbeiführte, ausgelöst durch die gemeinsame
Beteiligung an der Überschreitung der kommunistischen
Regeln.
Dieses
unbehagliche Gefühl wird genährt von der Annahme, es
handle sich bei ironischer Distanz automatisch um eine
subversive Einstellung. Was wäre, wenn die herrschende
Einstellung des zeitgenössischen "postideologischen"
Universums auf nichts anderes als auf eine zynische
Distanz gegenüber öffentlichen Werten hinausliefe,
wenn diese Distanz, weit davon entfernt, eine Bedrohung
für das System darzustellen, die höchste Form des Konformismus
bezeichnete, da das normale Funktionieren des Systems
zynische Distanz erfordert? In diesem Sinn erscheint
die Strategie von Laibach
in einem neuen Licht: sie "frustriert" das
System (die herrschende Ideologie) insofern, als sie
nicht dessen ironische Imitation darstellt, sondern
eine Über-Identifikation mit diesem – indem sie
die obszöne Über-Ich Unterseite des Systems ans Licht
bringt, suspendiert die Über-Identifikation seine Effizienz.
Unter Rückgriff auf Althussers Modell des ideologischen
Staatsapparates verkündete Zizek eine Interpretation
von Laibach
und NSK, die eine Art Ausgangspunkt für jede Lektüre
der Praxis dieses Phänomens geblieben ist.
Inszenierte
gefährliche Verbindungen
Zizek sieht richtig
(es gibt viele Diskrepanzen und Widersprüche in seinem
Text und in späteren Texten über verschiedene Projekte
von NSK und über Performances von Laibach), dass es weder für den Staat noch für intellektuelle and
künstlerische Projekte wirklich um Fragen von Leben
und Tod gegangen ist. Sie wurden oftmals als harmlos
eingestuft oder von der kommunistischen Partei einfach
übersehen. Die Geschichte des Poster Skandals am Tag der Jugend von 1986/87 führte die Fragilität des Anspruchs auf
Gefahr und Bedrohung für Kunst vor Augen, die in die
Sphäre der Politik eintritt, als die Design Gruppe Neuer
Kollektivismus, über eine seltsame Abfolge von Ereignissen,
eine echte Konfusion zwischen Kunstwelt und politischer
Welt herbeiführte. Zu dem Skandal kam es, als das Plakat
der Gruppe Neuer
Kollektivismus, das beim nationalen Wettbewerb
den ersten Preis gewonnen hatte und bereits für den
Tag der Jugend
verteilt wurde (Titos offizieller Geburtstag, der in
ganz Jugoslawien immer am 25. Mai gefeiert wurde), von
den Autoritäten eingezogen wurde. Sie hatten den Hinweis
erhalten, dass das Plakat auf die Nähe zwischen sozialistischem
Realismus und Nazi-Kunst verwies (es handelte sich bei
dem Plakat um eine Neuauflage eines Nazi-Plakats von
Richard Klein aus dem Jahre 1930, ein offensichtlicher,
aber von der Jury nicht erkannter Sachverhalt). Im Anschluss
an den Skandal, der den Kommunismus indirekt mit dem
Faschismus in Verbindung gebracht hatte, wurde das alljährliche
Ritual der Feier von Titos Geburtstag abgeschafft.
Es wurde jedoch niemand inhaftiert oder gefoltert, zumindest
wenn man die endlosen Interviews mit den Mitgliedern
von Laibach im staatlichen Fernsehen oder in den Magazinen ausklammert,
in denen die JournalistInnen sich darin wiederholten,
ähnliche Fragen zu stellen, wie die, welcher jede/r
im Kopf hatte: Aber seid ihr Faschisten, seid ihr echte
Faschisten?
Deshalb ist die Unsichtbarkeit
als eine bewusste künstlerische Praxis von Anfang an
etwas Paradoxes – sie kann keine Strategie sein,
die von KünstlerInnen zum Schutz ihrer Integrität oder
für die Abschirmung ihrer Ideen gegenüber den Zentren
der Macht forciert wird. Im Gegensatz zu einigen riskanten
Kunstaktionen und –konzepten, die reale Gefahren
für ihre AutorInnen mit sich bringen, gibt es oftmals
eine Art heimlicher Agenda unter KünstlerInnen oder
Möchtegern AktivistInnen: sie ist nicht selten heuchlerisch
kalkuliert und zielt darauf ab, die auf Neugier und
Erwartung beruhende Energie von Betrachtern auszubeuten.
Ich möchte kritisch
über bestimmte KünstlerInnen und speziell über einige
künstlerische Gruppen reflektieren, die mit diesen
Strategien liebäugeln, um die begehrte Aufmerksamkeit
auf sich zu ziehen. Sobald sie bereit sind, die klandestinen
Identitäten ihrer individuellen Mitglieder zu enthüllen,
die zuvor unter der Entschuldigung einer hypothetischen
Gefahr verdeckt gehalten wurden, legen sie ihre Strategien
offen und erlauben es, deren Rafinesse in Frage zu stellen.
Dieses Paradox kann am Fall des slowenischen Kunstkollektivs
IRWIN von Beginn ihrer Karriere an erforscht werden,
oder am Fall von Zampa di Leone (nach wie vor unbekannte/r
AutorIn/nen einer künstlerischen Website aus Serbien
und Montenegro). Es handelt sich dabei um einige der
wichtigsten Beispiele einer solchen Investition in Unsichtbarkeit
im Sinne eines Prozesses, der zu einem unvermeidlich
raschen Erfolg führt.
Zampa di Leones Comics-Website
Im Arsch des Balkan
2000-2005 verspottet KünstlerInnen und Projekte,
darunter bekannte wie die der erfolgreichen Gruppe IRWIN,
oder KünstlerInnen wie Tanja Ostojic, Milica Tomic und
Uros Djuric bzw. KuratorInnen wie Marina Grzinic und
Branko Dimitrijevic. Sie zielt auf eine kulturelle Kritik
der Repräsentation der Kunstszene des Balkan in einem
westlichen Kunstkontext. Ihre Zeichnungen und ihre Sprache
bemühen sich um eine Art subversiven Aktivismus, es
lässt sich jedoch eine gewisse Ambiguität in der Haltung
erkennen, die Zampa di Leone gegenüber dem Aktivismus
einnimmt. Obwohl sie schreiben, dass Im
Arsch des Balkan "von dem Phänomen des kulturellen
Aktivismus und der künstlerischen Praktiken in der
Region des Westbalkan und in Europa in der letzten halben
Dekade handelt",
wird ihr ironischer Zugang gegenüber dem Aktivismus
in anderen Texten deutlich. Dem klandestinen Autor zufolge
erfüllt die Website ihre Mission mit jeder Veränderung
der lokalen Situation. Der Begriff des Wandels ist
in jedem Fall eng mit dem des Aktivismus verbunden.
Es ist offensichtlich, dass nicht das Politische generell
Zielscheibe dieses Projekts darstellt, sondern die Kunstpolitik
der Kunstszene Serbiens und des Balkans.
Es stellt sich die
Frage, ob die Anonymität von KünstlerInnen wirklich
notwendig ist und worin die Gefahr besteht, die das
Projekt oder die dahinter stehenden KünstlerInnen bedrohen
würde. Offensichtlich kann in diesem Fall nur eine einzige
Gefahr ausgemacht werden, nämlich die, dass das Projekt
nicht in die Art von Ausstellungen aufgenommen wird,
die in den Comics vehement kritisiert wurden. Sollten
wir den KünstlerInnen Glauben schenken, dass es bereits
10.000 Besucher der Website gab: wahrscheinlich hatte
keine der kritisierten Ausstellungen ein dermaßen großes
Publikum. Jede Art von Urteil oder Rechtfertigung der
Effekte dieser ambivalenten Strategie ist schwierig
und problematisch.
Diese ausagierte
Dissidentenschaft unter KünstlerInnen stellt ein wohlbekanntes
Phänomen in Osteuropa dar. Es verdankt sich den komplexen
kulturellen Bedingungen in den kommunistischen und post-kommunistischen
Perioden, in denen es schwierig war, zwischen realer
und inszenierter Gefahr zu unterscheiden. Die bekannte
Aussage von Ranciere, dass es sich bei politischer Kunst
immer um eine spezifische Aushandlung nicht zwischen
Politik und Kunst, sondern zwischen den zwei Politiken
des Ästhetischen handelt – oder die Deleuzianische
Behauptung, dass ein wichtiges Merkmal der kleinen Literaturen
darin besteht, dass alles in ihnen politisch ist, zählte
zur besten Erfahrung unter KünstlerInnen in Osteuropa.
Ob abstrakt oder realistisch, jede Kunst von nicht-kommunistischen
KünstlerInnen konnte als gegen das kommunistische Regime
gerichtet interpretiert werden, eine Interpretation,
die sehr ähnlich klingt wie "Wer nicht für uns
ist, ist gegen uns".
Paradoxerweise setzten
sich die Probleme mit dem Politischen nach der Auflösung
des Kommunismus fort. Nun kommen die Protagonisten der
Politisierung der Kunst jedoch aus dem Westen. Während
der ersten Übergangsjahre war für Kunst aus dem Osten
nur politische Kunst akzeptabel. Im Moment, da es so
aussieht, dass politisch engagierte Kunst nun für die
lokale Kunstszene leichter zu akzeptieren ist, gewinnt
aktivistische Kunst an Prominenz in internationalen
Kunstzirkeln. Die Transformationen der Sprache der
Kunst veränderten sich nicht nur im Bereich der Sprache
im Allgemeinen, sondern auch im Verhältnis von Sprache
und Realität. Nach wie vor ist es schwierig, eine klare
Unterscheidung zwischen den Oppositionen zu treffen
– der Sprache der Kunst über das Politische und
der Sprache der Kunst, die innerhalb des Politischen
agiert. Die Paradoxien, die aus lokalen Bedingungen
resultieren, verwischen diese grundlegende Differenz.
Erst in jüngerer Zeit haben einige KünstlerInnen in
Slowenien, Apolonija Custeric und Tadej Pogacar und
in Kroatien, Andreja Kujunic und die Gruppe Platforma,
oder Tanja Ostojic begonnen, im Bereich des Politischen
zu arbeiten. Auf diese Weise haben sie die Sprache der
Kunst erneut verändert und das alte abjekte Gefühl
überwunden, das sich aus der Einbindung in die Sphäre
des Politischen ergab.
Vor dem Hintergrund der einfachen Erzählung von Modernität
und Postmodernität oder der klaren Opposition von reiner
und engagierter Kunst, müssen wir die ursprüngliche
und andauernde Spannung zwischen diesen beiden Politiken
der Ästhetik erkennen, welche die Formen der Sichtbarkeit
und Verständlichkeit mit sich bringen, die Kunst für
uns als solche identifizierbar machen - diese beiden
Politiken, welche letztlich zu ihrer eigenen Selbst-Unterdrückung
führen: Es ist diese Spannung, welche das scheinbar
einfache Projekt einer politischen oder "kritischen"
Kunst untermauern und irgendwie auch unterminieren,
welche der Politik dient, indem sie das Bewusstsein
über Herrschaftsformen wach hält und auf diese Weise
Energien des Widerstands oder der Rebellion stärkt.
Dieses einfache Projekt wurde von Anfang an in der Spannung
zwischen zwei entgegen gesetzten Formen der Politik
aufgenommen: Kunst, die sich selbst unterdrückt, um
Leben zu werden und Kunst, die Politik unter der Bedingung
betreibt, überhaupt keine Politik zu machen.
Übersetzung:
Larissa Buchholz
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