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Disobbedienti

Ein Video von Oliver Ressler
in Kooperation mit Dario Azzellini
Video, 53 Min., 2002

Das Video "Disobbedienti" thematisiert die Entstehungsgeschichte, die politischen Grundlagen und die Aktionsformen der Bewegung der Disobbedienti (Ungehorsame) anhand von Gesprächen mit sieben Beteiligten.
Die Disobbedienti gingen während der Demonstrationen gegen den G8-Gipfel im Juli 2001 in Genua aus den Tute Bianche hervor. "Tute Bianche" war die Bezeichnung für jene weiß gekleideten AktivistInnen aus Italien, die ihre durch Schaumstoff, Reifen, Helme, Gasmasken und selbst gemachte Schilde geschützten Körper bei direkten Aktionen und Demonstrationen als Waffe des zivilen Ungehorsams einsetzten. 1994 traten die Tute Bianche erstmals in Italien in einem gesellschaftlichen Umfeld in Erscheinung, in dem der in den 70er Jahren in der Produktion und in Arbeitskämpfen eine zentrale Rolle spielende "Massenarbeiter" schrittweise durch prekäre postfordistische Beschäftigungsformen abgelöst worden war. Die Tute Bianche beteiligten sich an Protesten gegen prekarisierte Arbeitsbedingungen und am Kampf der MigrantInnen für Bewegungsfreiheit, indem sie mit der speziell entwickelten Aktionsform der Demontage die Schließung von Abschiebelagern erzwangen. Die Tute Bianche waren Teil der Demonstrationen gegen die WTO in Seattle 1999 und den IWF in Prag 2000, entsandten Delegationen in den Lakandonischen Regenwald in Chiapas, begleiteten die zapatistischen Comandantes 3000 Kilometer weit nach Mexiko-Stadt und besuchten die besetzten Gebiete Palästinas.

Beim G8-Gipfel in Genua beschlossen die Tute Bianche, die identitätsstiftenden und namensgebenden weißen Overalls abzulegen, um in der Multitude der 300.000 DemoteilnehmerInnen aufzugehen. Der Übergang von den Tute Bianche zu den Disobbedienti, den Ungehorsamen, ist auch eine Entwicklung vom "zivilen Ungehorsam" zum "sozialen Ungehorsam". Durch das repressive Vorgehen und die Massaker der Polizeikräfte in Genua wurde die Praxis des sozialen Ungehorsams von der Straße in die verschiedensten gesellschaftlichen Bereiche hineingetragen. Der Disobbedienti-Sprecher Luca Casarini beschreibt daher im Video die Tute Bianche als subjektive Erfahrung und kleine Armee, die Disobbedienti hingegen als Multitude und Bewegung.
Die Disobbedienti setzen die Politikform der Tute Bianche fort und versuchen, eine gerechtere Legalität von unten zu schaffen. Es werden weiterhin spektakuläre Aktionen gegen Abschiebelager durchgeführt, wie die im Video gezeigte Demontage des Abschiebelagers in der Via Mattei in Bologna am 25. Januar 2002. Dazu kommen Versuche, den "sozialen Ungehorsam" als kollektive Praxis unterschiedlicher Gruppen weiterzuentwickeln, Waren- und Kommunikationsflüsse zu blockieren, Streiks einzelner Gruppen zu generalisieren, Generalstreiks zu planen und durchzuführen.

Die Gespräche mit den Disobbedienti wurden im Juli 2002 in Bologna und Genua auf Italienisch geführt. Das Video "Disobbedienti" gibt es mit deutscher und englischer Untertitelung.


Konzept, Interviewvorbereitung, Schnitt, Realisation: Oliver Ressler
Interviews, konzeptionelle Mitarbeit, Übersetzung: Dario Azzellini
Kamera: Claudio Ruggieri
Ton: Rainer Antesberger
GesprächspartnerInnen: Luca Casarini, Ulia Conti, Gianmarco de Pieri, Enrico Ludovici, Federico Martelloni, Francesco Raparelli, Francesca Ruocco

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