Das Video "Disobbedienti" thematisiert die
Entstehungsgeschichte, die politischen Grundlagen und
die Aktionsformen der Bewegung der Disobbedienti (Ungehorsame)
anhand von Gesprächen mit sieben Beteiligten.
Die Disobbedienti gingen während der Demonstrationen
gegen den G8-Gipfel im Juli 2001 in Genua aus den Tute
Bianche hervor. "Tute Bianche" war die Bezeichnung
für jene weiß gekleideten AktivistInnen aus
Italien, die ihre durch Schaumstoff, Reifen, Helme,
Gasmasken und selbst gemachte Schilde geschützten
Körper bei direkten Aktionen und Demonstrationen
als Waffe des zivilen Ungehorsams einsetzten. 1994 traten
die Tute Bianche erstmals in Italien in einem gesellschaftlichen
Umfeld in Erscheinung, in dem der in den 70er Jahren
in der Produktion und in Arbeitskämpfen eine zentrale
Rolle spielende "Massenarbeiter" schrittweise
durch prekäre postfordistische Beschäftigungsformen
abgelöst worden war. Die Tute Bianche beteiligten
sich an Protesten gegen prekarisierte Arbeitsbedingungen
und am Kampf der MigrantInnen für Bewegungsfreiheit,
indem sie mit der speziell entwickelten Aktionsform
der Demontage die Schließung von Abschiebelagern
erzwangen. Die Tute Bianche waren Teil der Demonstrationen
gegen die WTO in Seattle 1999 und den IWF in Prag 2000,
entsandten Delegationen in den Lakandonischen Regenwald
in Chiapas, begleiteten die zapatistischen Comandantes
3000 Kilometer weit nach Mexiko-Stadt und besuchten
die besetzten Gebiete Palästinas.
Beim G8-Gipfel in Genua beschlossen die Tute Bianche,
die identitätsstiftenden und namensgebenden weißen
Overalls abzulegen, um in der Multitude der 300.000
DemoteilnehmerInnen aufzugehen. Der Übergang von
den Tute Bianche zu den Disobbedienti, den Ungehorsamen,
ist auch eine Entwicklung vom "zivilen Ungehorsam"
zum "sozialen Ungehorsam". Durch das repressive
Vorgehen und die Massaker der Polizeikräfte in
Genua wurde die Praxis des sozialen Ungehorsams von
der Straße in die verschiedensten gesellschaftlichen
Bereiche hineingetragen. Der Disobbedienti-Sprecher
Luca Casarini beschreibt daher im Video die Tute Bianche
als subjektive Erfahrung und kleine Armee, die Disobbedienti
hingegen als Multitude und Bewegung.
Die Disobbedienti setzen die Politikform der Tute Bianche
fort und versuchen, eine gerechtere Legalität von
unten zu schaffen. Es werden weiterhin spektakuläre
Aktionen gegen Abschiebelager durchgeführt, wie
die im Video gezeigte Demontage des Abschiebelagers
in der Via Mattei in Bologna am 25. Januar 2002. Dazu
kommen Versuche, den "sozialen Ungehorsam"
als kollektive Praxis unterschiedlicher Gruppen weiterzuentwickeln,
Waren- und Kommunikationsflüsse zu blockieren,
Streiks einzelner Gruppen zu generalisieren, Generalstreiks
zu planen und durchzuführen.
Die Gespräche mit den Disobbedienti wurden im
Juli 2002 in Bologna und Genua auf Italienisch geführt.
Das Video "Disobbedienti" gibt es mit deutscher
und englischer Untertitelung.
Konzept, Interviewvorbereitung, Schnitt, Realisation:
Oliver Ressler
Interviews, konzeptionelle Mitarbeit, Übersetzung:
Dario Azzellini
Kamera: Claudio Ruggieri
Ton: Rainer Antesberger
GesprächspartnerInnen: Luca Casarini, Ulia Conti,
Gianmarco de Pieri, Enrico Ludovici, Federico Martelloni,
Francesco Raparelli, Francesca Ruocco
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