raimund
minichbauer:
das projekt alternative economics, alternative societies präsentiert in einer
installation verschiedene alternative modelle zum kapitalistischen
gesellschaftssystem in jeweils ca. halbstündigen interview-videos.
das projekt wurde im herbst 2003 erstmals in der galerija
skuc in ljubljana gezeigt und seither in verschiedenen
ausstellungen.
es ist als work in progress angelegt, d.h., es kommen
immer wieder neue videos dazu. könntest du bitte einen
kurzen überblick über den aktuellen stand der produktion
und produktionspläne jetzt im mai 2004 geben?
oliver
ressler:
in der ersten ausstellung in der galerija skuc setzte
sich die installation aus fünf videos zu unterschiedlichen
modellen oder facetten zusammen, die für die diskussion
über zukünftige ökonomien oder gesellschaftsformen von
bedeutung sind. mittlerweile wurde die installation
auf acht videos erweitert, die kürzlich in der ausstellung
open house im o.k in linz zu sehen
waren. ich arbeite gerade am neunten video. einige der
videos basieren auf konzepten und modellen, die z.b.
von ökonomen oder gesellschaftstheoretikern geschrieben
wurden, die sich jahrelang mit dieser thematik auseinander
gesetzt und bücher publiziert haben, die zum teil mehrere
hundert seiten umfassen. dazu gehören z.b. "inclusive
democracy" von takis fotopoulos oder "participatory
economics"
von michael albert. andere konzepte haben nicht diesen
anspruch, alle facetten einer gesellschaft zu thematisieren,
sondern konzentrieren sich auf bestimmte details. dazu
würde ich "free cooperation" / "freie
kooperation" von christoph spehr
zählen, oder nancy folbres feministische ansätze, die
sie unter dem begriif "caring labor"
thematisiert. weiters gibt es konzepte, die ein bestimmtes
historisches modell fokussieren, z.b. die arbeiterkollektive
während des spanischen bürgerkrieges im beitrag der
sozialwissenschafterin salomé moltó,
oder die arbeiterselbstverwaltung im jugoslawien der
60er und 70er jahre, die vom serbischen soziologen todor
kuljic
thematisiert wird. einige modelle würde ich eher im
literarischen bereich verorten. es war für mich am beginn
des projektes selber noch nicht klar, dass ich etwa
in einem roman formulierte modelle thematisieren würde.
das hat sich so entwickelt, als mir klar wurde, dass
das ziel des projektes nicht darin liegen kann, einem
dieser modelle konkret zu einer durchsetzung zu verhelfen,
sondern dass es darum geht, verschiedene ideen und ansätze
in die diskussionen einzubringen bzw. diese überhaupt
einmal zu initiieren. und dabei kann durchaus auch auf
literarische vorlagen zurückgegriffen werden. in der
installation sind das einerseits die utopischen feministischen
visionen, die marge piercy
in zwei ihrer romane formuliert hat. das buch bolo'bolo
von p.m. würde ich auch hier zuordnen, da es sich zwischen
undergroundliteratur und dem versuch einer skizzierung
eines gesellschaftsmodells bewegt.
raimund
minichbauer:
und das neue video, an dem du gerade arbeitest?
oliver
ressler:
ich habe vor kurzem ein gespräch mit john holloway aufgenommen,
der ein buch geschrieben hat, in dem es darum geht,
die gesellschaft zu verändern, ohne die macht zu übernehmen.
john holloway bezieht sich darin auf die erfahrungen
der zapatistas in mexiko und hat einige thesen des buches
für das video zusammengefasst.
raimund
minichbauer:
nach welchen inhaltlichen ansatzpunkten hast du die
dargestellten modelle ausgewählt?
oliver
ressler:
ich kannte ein paar der modelle und dachte, dass es
spannend wäre, von diesen ausgehend ein projekt zu entwickeln.
so habe ich begonnen, weitere modelle zu recherchieren,
die sich als alternativen zum kapitalismus verstehen.
ich habe daher in das projekt keine reformistischen
modelle aufgenommen - und werde das auch in zukunft
nicht tun -, also modelle, in denen es nur darum geht,
ein paar details in den bestehenden kapitalistischen
strukturen zu ändern. es geht im projekt alternative economics, alternative societies um konzepte, die grundlegend
andere vorstellungen von gesellschaftlichem zusammenleben
und gesellschaftlichen strukturen anvisieren. die ansätze
sind sehr breit gestreut und ich halte mir das auch
ganz bewusst offen, ein relativ breites spektrum zu
besetzen, in dem sehr unterschiedliche und zum teil
auch einander widersprechende konzepte thematisiert
werden können.
raimund
minichbauer:
wie wichtig waren die fragen, ob das konzept über das
modell hinaus auch ansatzpunkte enthält, was man jetzt
gleich tun kann, bzw. wie man das modell praktisch realisieren
kann?
oliver
ressler:
wenn man marge piercy's feministische utopische visionen
als beispiel nimmt, so sind hier einige facetten enthalten,
die durchaus zur entwicklung einer alternativen gesellschaft
herangezogen werden können. andere facetten funktionieren
vielleicht in einem roman und sind spannend zu lesen,
sind aber in der realität völlig unmöglich, weil sie
an der biologie des menschen oder am momentanen stand
der technik scheitern. ich bin beim marge piercy video
wie auch bei den anderen videos so vorgegangen, dass
ich mich primär auf jene facetten konzentriert habe,
die mir wichtig erscheinen und wo ich auch grundsätzliche
möglichkeiten einer umsetzung sehe. die zentrale frage
ist ja, wie gesellschaftlicher wandel überhaupt stattfinden
sollte. macht es überhaupt sinn, den einen oder anderen
aspekt, der in den videos thematisiert wird, einfach
innerhalb des bestehenden systems umzusetzen zu versuchen?
da wäre ich eher einmal skeptisch. oder geht es nicht
darum, ein grundlegend anderes konzept einer gesellschaft
zu entwickeln? ich bin der meinung, dass diese anvisierten
gesellschaftlichen veränderungen im rahmen eines umfassenden
demokratischen prozesses stattfinden müssen. daher sind
alle ansätze, die im projekt alternative
economics, alternative societies thematisiert werden,
immer nur als diskussionsgrundlage gedacht, als anregung
für die - leider viel zu wenig stattfindenden - diskussionen
über zukünftige gesellschaften.
raimund
minichbauer:
durch das hinzukommen neuer videos verändert sich auch
die installation als rahmen oder gesamtzusammenhang
- wie verändert sich dadurch dann die wahrnehmung eines
einzelnen beitrags? unterstützen zum beispiel die historischen
modelle die utopischen eher, indem sie generell die
realisierbarkeit alternativer modelle unterstreichen,
oder wird dadurch im gegenteil eher das nicht realisierbare
hervorgehoben?
oliver ressler:
die videos über die historischen modelle wollen einfach
aufzeigen, dass in bestimmten geschichtlichen zusammenhängen
und situationen an gewissen orten versucht wurde, alternativen
zum kapitalismus zu entwickeln. das hat in einigen fällen
das eine oder andere jahr oder auch über einen längeren
zeitraum hinweg zu einem gewissen grad funktioniert.
aber aus meiner sicht sollte man bei den beiden historischen
modellen, die derzeit in der installation thematisiert
werden - es werden sicher noch welche hinzukommen -,
wie bei allen anderen modellen sicher keine eins-zu-eins-umsetzung
anstreben, weil diese modelle natürlich durch ihre spezifischen
geschichtlichen kontexte geprägt sind, mit großen schwierigkeiten
und widerständen zu kämpfen hatten und sich deshalb
auch nicht so entfalten konnten, wie das vielleicht
möglich gewesen wäre, wenn sie weniger druck von außen
ausgesetzt gewesen wären. aber ich will diese modelle
trotzdem thematisieren und zeigen, was nicht so gut
funktioniert hat und vielleicht zum scheitern beigetragen
hat; über diese videos können etwa innere widersprüche
thematisiert werden.
bei den
in den 90er jahren entwickelten konzepten gesellschaftlicher
oder ökonomischer alternativen, die in den anderen videos
thematisiert werden, lässt sich leichter über eine eins-zu-eins-umsetzung
nachdenken. es ist jedoch interessant zu beobachten,
dass die meisten autor/innen gar nicht davon ausgehen
wollen, dass die modelle genau so umgesetzt werden,
wie es in den büchern zum teil sehr konkret vorgeschlagen
wird, sondern dass die autor/innen die verschiedenen
konkreten rahmenbedingungen innerhalb der modelle als
diskussionsvorschläge verstehen. da gibt es also einen
klaren unterschied zu früheren modellen, in denen die
von theoretikern imaginierten gesellschaftssysteme schon
als konkrete umsetzungsmodelle gedacht waren. die modelle
aus dem projekt alternative
economics, alternative societies lassen dagegen
freiräume, um auf demokratischen prozessen basierend
und mit fairen entscheidungsfindungen eine gesellschaft
zu entwickeln - die sich dann in gewissen rahmenbedingungen
z.b. einer "inclusive democracy" oder einer
"participatory economy" verfassen könnte.
raimund
minichbauer:
kannst du innerhalb der modelle seit den 90er jahren
eine entwicklung feststellen - haben sich diese modelle
in den letzten 10 jahren verändert?
oliver
ressler:
einen gewissen einfluss hatte sicherlich der niedergang
des staatssozialismus, sodass in den modellen der 90er
jahre auch die letzten reste einer gewissen wunschvorstellung,
dass zumindest teile eines lebenswerten alternativen
systems bereits jenseits des eiserne vorhanges umgesetzt
wurden, zur gänze aufgegeben wurden. im grunde spiegelt
allerdings bereits die auswahl der modelle meine persönlichen
interessen wider. ich betreibe das projekt ja nicht
wie ein sozialwissenschafter, der die unterschiedlichen
modelle möglichst vollständig versammelt, kategorisiert
und aufzuschlüsseln versucht. ich gehe eher wie ein
interessierter leser vor, wie jemand, der seine recherche
kurz nach der lektüre transparent und zugänglich zu
machen versucht, indem er mittels der videos einstiegshilfen
in die thematik anbietet oder anregungen, sich mit dem
einen oder anderen modell näher auseinanderzusetzen.
ich habe auch nicht sonderlich viele neue modelle, mit
denen ich mich bereits näher auseinandergesetzt habe,
im hinterkopf, die produktion der videos und damit die
weiterentwicklung des projekts funktioniert eher wie
ein prozessorientiertes vorantasten.
raimund minichbauer:
die videos kommunizieren natürlich nicht nur einfach
'den inhalt' des modells, sondern auch viele andere
ebenen, z.b. wie utopien formuliert werden, oder auch
persönliche ebenen: es ist immer jeweils eine person,
die im video das modell präsentiert, und die dann auch
in einem gewissen kontext gezeigt wird, was auch die
frage aufwirft, wie vielleicht auch das persönliche
lebensumfeld die utopien beeinflusst. wie hast du mit
diesen informationsebenen gearbeitet?
oliver
ressler:
bei einigen leuten wusste ich vorher ein wenig über
den persönlichen hintergrund, im einen oder anderen
fall habe ich auch jemanden schon vorher persönlich
gekannt oder zumindest einen vortrag gehört, bevor ich
das interview gemacht habe. oft habe ich aber auch einfach
über e-mail mit einem autor oder einer autorin einen
gesprächstermin vereinbart, die person dann in london,
spanien oder in den usa besucht, wo er oder sie zu hause
ist, und dann war klar, ich habe ein oder zwei stunden
zeit, um meine fragen zu stellen und ein video aus diesem
prozess heraus zu entwickeln. wenn ich etwa ein interview
mit michael albert zu "participatory economics"
vereinbare und dann sehe, dass er in einem großen haus
direkt am meer wohnt, dann denke ich mir schon, dass
das ein räumliches umfeld ist, wo er sicherlich die
persönliche ruhe finden kann, um sich über alternative
ökonomien gedanken zu machen - und eben auch ausführlich
gedanken zu machen, da eine gewisse finanzielle unabhängigkeit
vorhanden zu sein scheint. bei anderen ist das nicht
der fall. die haben oft einen job, der sie zeitlich
sehr stark in anspruch nimmt, leben in kleinen wohnungen.
das lässt aber nicht unbedingt rückschlüsse auf die
arbeit ziehen. die persönlichen hintergründe der gesprächspartner/innen
sind auf jeden fall sehr unterschiedlich, die einzige
gemeinsamkeit scheint zu sein, dass sie alle gerne und
viel lesen und unzufrieden mit dem bestehenden gesellschaftssystem
sind.
raimund
minichbauer:
werden die orte, an denen die aufnahmen gemacht werden,
von dir festgelegt?
oliver
ressler:
für mich ist es ganz entscheidend, alle aufnahmen im
freien zu machen - aus dem primären grund, da ich mir
nur schwer vorstellen kann, dass das sprechen über mögliche
zukunftsalternativen in dunklen wohnungen vor hohen
bücherregalen stattfinden soll. menschen, die sich mit
solchen fragestellungen beschäftigen, sollen nach außen
gehen und die idee nach außen tragen - und diesen wunsch
versuche ich durch die visuelle ebene dadurch zu unterstreichen,
dass alle interviews im freien aufgenommen wurden. ich
habe versucht, die interviews an orten aufzunehmen,
die in bezug zum thema des interviews stehen. das hat
in einigen fällen sehr gut funktioniert - das interview
mit salomé moltó über die spanischen arbeiterkollektive
fand z.b. vor einem gebäude in alcoy statt, in dem während
des spanischen bürgerkriegs eines dieser arbeiterkollektive
untergebracht war. das gespräch mit christoph spehr
habe ich z.b. im hafen von bremen, der stadt, in der
christoph wohnt, durchgeführt, wodurch im hintergrund
auch konkrete "arbeit" sichtbar wird. sein
konzept einer freien kooperation beschäftigt sich ja
intensiv mit fragen nach den notwendigen bedingungen,
unter denen individuen in die lage versetzt werden sollten,
relativ "frei" zusammenzuarbeiten. bei anderen
interviews spiegelt der aufnahmeort das persönliche
lebensumfeld des gesprächspartners bzw. der gesprächspartnerin
wider. einer meiner interviewpartner -
p.m. - hat sich zwar gerne zum interview bereit
erklärt, zeigt aber grundsätzlich sein gesicht nicht
öffentlich, so wie er auch seinen bürgerlichen namen
geheim hält. ich musste mir in diesem fall daher eine
visualisierung überlegen, die ohne die abgebildete interviewte
person auskommt, und habe die künstlerin lia eingeladen,
auf der basis der im buch bolo’bolo vorkommenden
zeichensprache eine eigenständige grafische ebene zu
entwickeln. dieses video unterscheidet sich daher auf
der visuellen ebene stark von den anderen.
raimund
minichbauer:
sind die modelle von einzelpersonen entwickelt, oder
stehen da kollektive kontexte dahinter?
oliver
ressler:
von den historischen modellen mal abgesehen sind das
in der regel einzelpersonen. "participatory economics"
wurde von zwei personen formuliert, von michael albert
und robin hahnel. da sie nicht am gleichen ort in den
usa wohnen und michael albert in den letzten jahren
mehr zur thematik publiziert hat, habe ich das interview
nur mit ihm durchgeführt.
raimund
minichbauer:
du produzierst in anderen projekten unabhängig von installationen
auch videos, z.b. this
is what democracy looks like! oder disobbedienti
.
diese videos haben auch den vorteil, sowohl im kunstkontext
als auch in politischen kontexten gezeigt werden zu
können. gibt es bei alternative
economics, alternative societies dieses ziel, auch
außerhalb des kunstkontexts gezeigt zu werden?
oliver
ressler:
ich arbeite an unterschiedlichen projekten, die in unterschiedlichen
öffentlichkeiten realisiert werden. die einkanal-videos
werden neben präsentationen im kunstkontext in videofestivals,
bei politischen veranstaltungen oder manchmal auch im
fernsehen gezeigt. dann gibt es projekte, die im städtischen
außenraum realisiert werden, und dann gibt es die themenspezifischen
installationen wie alternative economics, alternative societies. wenn ich an einem projekt
arbeite, definiere ich vorher den rahmen, in dem das
projekt gezeigt werden soll, und bestimme das entsprechende
format. Bei alternative economics, alternative societies ist durch die menge des
videomaterials das format ausstellung relativ naheliegend.
hauptgrund für die entscheidung, eine ausstellung zu
realisieren, war aber der wunsch, den betrachter oder
die betrachterin durch die installation in eine position
versetzen zu können, sich zwischen den unterschiedlichen
konzepten zu bewegen und auswählen zu können. in der
installation gibt es diese bodenbeschriftungen, die
auf zitaten aus den unterschiedlichen videos basieren
und eine art leitsystem herstellen. während man sich
im ausstellungsraum bewegt, folgt man einer dieser gelben
linien mit einem zitat, liest es während man geht, und
das führt einen dann direkt zum entsprechenden tisch
mit dem video. dort entscheidet man sich, setze ich
mich hin und sehe mir das video an - oder beweg ich
mich weiter, lese vielleicht ein anderes zitat und suche
mir ein anderes video aus. diese auswahlmöglichkeit
verweist damit auf die grundsätzliche bedeutung von
entscheidungen jeder einzelnen person, wenn es um alternative
ökonomien und gesellschaftsformen geht. dem besucher
oder der besucherin wird also bewusst nicht wie in einem
kino über einen gewissen zeitraum hinweg etwas vorgesetzt,
und ich habe kein pläne, die videos getrennt voneinander
zu zeigen.
raimund
minichbauer:
also nicht unabhängig von der installation?
oliver ressler:
ja. was ich allerdings schon plane, ist, teile des materials,
das ich für alternative
economics, alternative societies recherchiert habe,
als ausgangsbasis für die entwicklung von projekten
zu verwenden, die auch nicht-installative formen annehmen
können. ich bereite zur zeit zwei projekte vor, in denen
bestimmte aspekte aus der installation in städtischen
außenräumen lanciert werden sollen. ich möchte dabei
aber nicht mit dem videomaterial arbeiten, sondern nur
thematiken aus den videos aufgreifen. das stellt für
mich eine möglichkeit für zukünftige arbeiten dar.
raimund
minichbauer:
bei der frage nach alternativen modellen zum kapitalismus
ist die 'antiglobalisierungsbewegung' ein realer kontext
oder möglicher referenzpunkt. du hast schon einmal angesprochen,
dass die diskussion alternativer modelle auch in der
'antiglobalisierungsbewegung' nur sehr unzureichend
stattfindet. warum ist das so, und wie könnte ein projekt
wie alternative
economics, alternative societies in diesem kontext
trotzdem aufgenommen werden?
oliver
ressler:
meine persönliche erfahrung ist, dass es aus den unterschiedlichsten
perspektiven ausgezeichnete analyse und kritik des bestehenden
systems gibt. über die 'antiglobalisierungsbewegung'
existiert heute eine ganz wichtige widerstandsbewegung,
die sich auch nach außen hin abbildet und für breitere
bevölkerungschichten sichtbar ist. dass die diskussion
über mögliche systemalternativen stark unterrepräsentiert
ist, liegt meiner meinung nach an dem komplizierten
metier, auf das sich kaum jemand einlassen will. die
verhältnisse sind so komplex, so viel muss in hinblick
auf alternativen beachtet werden. wer setzt sich schon
gerne leichtfertig kritik aus und begibt sich auf glatteis,
vor allem wenn dabei oft kaum mehr zu holen ist als
ein verächtliches lächeln? vielleicht kann die ausstellungsserie
als einstiegsangebot ja einen kleinen beitrag zur weiteren
entwicklung der diskussionen zu alternativen ökonomien
und alternativen gesellschaften leisten.
raimund
minichbauer:
gibt es schon pläne für die nächsten schritte, oder
für die nächsten modelle, mit denen du dich beschäftigen
wirst im rahmen des projekts?
oliver
ressler:
ich habe eine ganze liste mit namen, modell-begriffen
usw., die auf eine weitere recherche warten. es gibt
derzeit ein finanzierungsproblem - ich kann jetzt noch
das video mit john holloway fertigstellen, aber davon
abgesehen ist im moment leider die finanzierung der
nächsten videos nicht geklärt. es sind allerdings bereits
mehrere ausstellungen geplant, in denen die bisher realisierten
videos gezeigt werden.
raimund
minichbauer:
ist die grundsätzliche idee, die anzahl der videos laufend
zu erweitern, oder planst du auch andere zusammensetzungen
und etwa in einer ausstellung einmal auch nur eine auswahl
von z.b. fünf videos zu zeigen?
oliver
ressler:
mein wunsch ist es, neue videos zu produzieren und zum
bestehenden videopool hinzuzufügen. die installation
wird also immer größer werden, was auch damit verbunden
ist, dass sie in zukunft ein bisschen komplizierter
zu zeigen sein wird, weil mehr raum und mehr technisches
equipment benötigt wird. jedes video soll ja weiterhin
auf einem einzelnen monitor gezeigt werden, um den aspekt
des bewegens im raum und der auswahlmöglichkeit zu erhalten.
ich möchte das projekt grundsätzlich mehrere jahre hindurch
weiterführen, weil ich finde, dass man so ein projekt
gar nicht wirklich abschließen kann - zumindest solange
das bestehende kapitalistische system weiter existiert,
und es sieht ja sehr danach aus, dass das noch eine
zeitlang der fall ist.
raimund
minichbauer:
vielen dank für das gespräch.
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