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Kunstraum der Universität Lüneburg 09/02 - 02/03
VIVRE EN POF mit Fabrice Hybert
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Fabrice Hybert gehört zu jenen Künstlerinnen und Künstlern, die in den 90er Jahren auf unterschiedliche Art und Weise Praxisformen der Ökonomie zum Material ihrer künstlerischen Arbeit gemacht haben. So bestand die erste herausragende Kooperation des Kunstraums Lüneburg mit dem ' Künstlerentrepeneur' Hybert 1996 in einer temporären Verwandlung des Musée d'Art Modern de la Ville de Paris (Palais Tokyo) in einen Supermarkt, der mit tausenden, für den Verkauf bestimmter Waren gefüllt war, die über die Initiative von Studierenden von deutschen mittelständischen Unternehmen zur Verfügung gestellt worden waren.

In den Kontext dieser Idee des Künstlers als 'ökonomischem Akteur' gehört auch Hyberts Arbeit mit Objekten, die er als POF bezeichnet: 'Prototype d'Objet en Fonctionnement'. Diese Prototypen, die auf den ersten Blick als Neuerungen innerhalb der Welt von Alltagsgegenständen daherkommen und durch ihre Stilisierung - etwa durch Hyberts Markenfarbe 'grün' - auch an das Konkurrenzfeld der ubiquitären Konsumobjekte anknüpfen, erweisen sich durch ihre Kontextualisierung im Kunstbereich als 'heimtückische' Gegenstände, die sich einer spontanen Klassifikation entziehen. Während die museale Präsentation der POFs ganz offensichtlich keine kontemplativen, auratischen Kunstwerke ergibt, sperren sie sich zugleich dagegen, dem Nutzenkalkül des Konsumkapitalismus zu gehorchen - sie sind nicht 'markttauglich', obwohl ihr Erscheinungsbild ganz der Innovationslogik moderner Konsummärkte entspricht.

Seit 2000 befindet sich auf dem Gelände des Campus der Universität Lüneburg Hyberts Außenskulptur 'Pof83 [pylône]', einer inzwischen zum visuellen Kennzeichen der Campusuniversität avancierten Skulptur, die als Prototyp eine Art Beleuchtungsmast darstellt, der unabhängig vom Festnetz der Stromversorgung funktioniert, indem er alle in der Umwelt vorhandenen Energiequellen nutzt; Wind, Sonne und Regen. Diese anscheinend ideale technische Apparatur, Modell der Utopie einer neuen, dezentralen Technikidee, ist in Wirklichkeit eine 'poetische Maschine' (Robert Fleck), denn schon in einer milden Nacht ohne Regen und Wind bricht die Skulptur ihr Versprechen und die Betrachter bemerken, dass hier keineswegs ein ökologischer Künstlerbastler am Werk war. Nun tritt die Zweck- und Funktionslosigkeit des als Beleuchtungsmast getarnten Kunstobjekts zutage, einer Erfahrung, die in einer bestimmten Phase der Rezeption bei allen POFs von Hybert auftaucht.

Damit scheint ein klassisches Thema des autonomen Kunstfeldes aufgenommen zu sein, wonach - einem Diktum Adornos folgend - die Kunst, wenn sie denn eine Funktion haben solle, dies nur ihre Funktionslosigkeit sein könne. Aber auch diese Position ist im POF eher ironisch kommentiert; der Künstlerentrepreneur bietet sie als ein mögliches 'Qualitätsmerkmal' seiner Ware an. Wenn es denn einen Hintergrund gibt für die künstlerischen Paradigmen, mit denen Hybert operiert, so dürfte dieser in dem Umstand liegen, dass er als Ausgangspunkt für seine POFs immer das Medium der Zeichnung wählt. Die Kunst nutzt Hybert als dreidimensionale Verwirklichung des im freien Spiel der Zeichnung erarbeiteten Möglichkeitsraums. Neben dieser den Produktionsvorgang betreffenden Besonderheit können die POFs auch als skulpturale Objekte mit performativem Charakter bezeichnet werden, womit sie sich grundsätzlich von einer kontemplativen Ästhetik abgrenzen. Der spielerische, aktive Test auf Brauchbarkeit im Ausstellungssetting, die Weiterentwicklung oder Rückführung in (z.B. ökologische oder ökonomische) Kreisläufe, aus denen sie ursprünglich stammen, setzt einen aktivierten Rezipienten voraus, der durch seine Partizipation im künstlerischen Prozess die POFs mitgestaltet. Wenn man so will, konstruiert Hybert eine auf dem Experiment basierende Laborsituation.

Im Rahmen der Kooperation des Kunstraums der Universität Lüneburg mit Fabrice Hybert, Preisträger der Biennale von Venedig 1996 und dessen in Paris ansässiger Firma Unlimited Responsibility (UR) werden im Januar 2003 insgesamt 42 POFs über den Campus der Universität Lüneburg verteilt. Kurzvideos zeigen auf Monitoren Eliane Pine Carrington beim Test und Gebrauch der POFs. Auftakt hat das Projekt mit einer 'Ralley' in Paris bereits im Oktober 2002 genommen. Unter Mitwirkung einer Projektgruppe des Kunstraums der Universität Lüneburg wurden POFs an rund 60 Orten in Paris im öffentlichen Raum installiert, die von den Teilnehmern der 'Ralley' gefunden werden mussten. Die Ralley endete in einer 'Nuit blanche' mit einer Performance des POF Cabaret mit Eliane Pine Carrington am 5.Oktober 2002 im Pariser Musée d'Art Moderne de la Ville de Paris.

Für den 'Kunstraum der Universität Lüneburg' - gegründet 1993 - ist die Zusammenarbeit mit Fabrice Hybert in mehrfacher Hinsicht von besonderer Bedeutung. So wird das Ziel des Kunstraums, der regionalen und überregionalen Öffentlichkeit zeitgenössische Kunst auf avanciertem Niveau durch Projekte, Ausstellungen, Vorträge, Symposien und Publikationen zu vermitteln, durch die Zusammenarbeit mit einem der zur Zeit wichtigsten französischen zeitgenössischen Künstler eindrucksvoll verfolgt. Zugleich wird durch die spezifische Anlage des Projekts eine Erhöhung des Praxisbezugs der universitären Lehre, insbesondere im Rahmen des Faches Kunst- und Bildwissenschaften im Kontext des Studiengangs Angewandte Kulturwissenschaften erreicht und gefördert. Zentraler Bestandteil des Projekts ist zudem die Verwendung empirischer Befragungs- und Beobachtungsmethoden zur Analyse des sozialen Gebrauchs der auf dem Campus ausgestellten POFs, wodurch auch kunstsoziologische Fragestellungen erörtert werden können.

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